Inland

„Wir wollen die Hälfte der Stellen“

von Kai Doering · 27. Februar 2013

„Pro Quote“ feiert Geburtstag. Vor einem Jahr schlossen sich Journalistinnen zu dem Verein zusammen, um für mehr Frauen in den Chefredaktionen der Medien zu kämpfen. Zum Jubiläum zieht die Vorsitzende Annette Bruhns eine Zwischenbilanz – und sagt, warum es gerade auf die Männer ankommt.


vorwärts.de: Frau Bruhns, vor einem Jahr haben Sie die Initiative „Pro Quote“ aus der Taufe gehoben. Was war der Auslöser?

Annette Bruhns: Vor letztesJahr begann ja die Debatte über eine Frauenquote in Aufsichtsräten. In der Situation haben sich viele Journalistinnen gefragt, ob wir so etwas nicht auch für unsere Branche brauchen. Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen: Ja, wir brauchen sie.

Wie ging es dann weiter?

Zunächst mussten wir uns überlegen, wie wir darauf aufmerksam machen können, dass es ein Problem gibt. Es ging um die Frage: Wie können wir unsere Forderung öffentlich machen? Deshalb haben sich Journalistinnen aus allen Medien verabredet, einen Brief zu schreiben, der an mehr als 200 Chefredakteure, Herausgeber und Verleger verschickt wurde. Darin haben wir zunächst die Situation dargestellt: 98 Prozent der Chefredakteure deutscher Zeitungen sind Männer. Nachdem der Brief raus war, haben wir bange gewartet, wie er wohl aufgenommen wird. Erst als einzelne Medien den Ball aufgenommen, berichtet und – einige wenige – sogar Konsequenzen in ihren Häusern angekündigt haben, konnten wir aufatmen.

Sie fordern eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in redaktionellen Führungspositionen bis 2017. Wie kommen Sie gerade auf diese Zahl?

Ich denke, 30 Prozent ist dann eine gute Zahl, wenn man sie bis hinauf in die Spitze fordert –wir wollen nicht nur 30 Prozent Frauen auf Ressortleiterebene, sondern auch in den Chefredaktionen bzw. Intendanzen. Natürlich hätten wir auch 40 Prozent fordern können wie für die Wirtschaft. Aber dann hätten es auch gleich 50 Prozent sein können oder sogar müssen. Denn selbstverständlich wollen wir die Hälfte der Stellen besetzen. Seit Jahren werden an den Journalistenschulen zu mehr als 50 Prozent gute Frauen ausgebildet.

Woran liegt es, dass trotz der guten Ausbildung so wenige Frauen bis nach oben gelangen?

Ein großes Problem sind fehlende Netzwerke. Männer rekrutieren eben immer noch in erster Linie Männer. Hinzu kommt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer noch in erster Linie als Frauenangelegenheit gilt. Das wirkt sich vor allem auf Berufschancen aus – sogar von Nichtmüttern, weil sie potenziell ja Kinder kriegen könnten.

Es haben sich auch schnell viele Männer Ihrer Forderung angeschlossen. Überrascht Sie das?

Jein. Wenn sich kein Mann unseren Forderungen angeschlossen hätte, wäre ich sehr erstaunt gewesen. Dass es so viele sind – darunter auch einige, von denen ich es nicht erwartet hätte – überrascht mich sehr positiv. Trotzdem fehlen noch mehr junge Männer. Da ist bei vielen die Angst offenbar groß, sich Karrierechance zu verbauen, wenn mehr Frauen in Führungspositionen kommen. Ich bin gespannt, wann diese Männer verstehen, dass ihre Frauen die Chance auf eine eigene Karriere haben müssen, wenn sie sich als Partner die Erziehung ihrer Kinder teilen wollen. Wenn diese Generation Männer aufwacht, bekommen wir noch eine ganz andere Dynamik in die Quoten-Debatte.

Zurzeit tobt eine Debatte über Sexismus in Politik und Medien – ausgelöst von dem Artikel einer Redakteurin des „Stern“. Wie bewerten Sie das?

An diesem Fall sehen Sie die ganz hässliche Seite des Problems einer Männer-Monokultur. Wenn Frauen und Männer in der Arbeitswelt auf Augenhöhe miteinander verkehren würden, wären solche Verhaltensweisen unvorstellbar. Hinzu kommt, dass Sie sich als Journalistin sofort an Ihre Vorgesetzte wenden würden, wäre das eine Frau. Bei männlichen Chefs haben Frauen oft Angst, dass sie nicht ernst genommen werden, wenn sie sich über sexistisches Verhalten beschweren. Wer hört schon gern von seinem Vorgesetzten: „Stell dich nicht so an, Männer sind eben so.“

Ist es schwieriger für Frauen, über Politik zu berichten als für Männer?

In der Regel nicht! Frauen können genauso gut über Politik berichten wie Männer. Und sie können genauso nachts mit Politikern an der Bar stehen wie die Kollegen. Ich persönlich habe nie schlechte Erfahrungen gemacht. Das Verhalten von Rainer Brüderle, das in dem „Stern“-Artikel beschrieben wird, ist sicher nicht typisch. Ein Politiker weiß ja auch, dass er nicht unbedingt die beste Berichterstattung bekommt, wenn er sich so verhält.

Silke Burmester hat in einem Beitrag über die Debatte geschrieben: „Das Internet befreit uns Frauen von der Hoheit der Männer über die Meinungsbildung.“ Wird mit der Ausbreitung der neuen Medien alles gut?

So schnell geht es leider nicht. Dank des Internets wird aber vieles besser. Es ist wichtig, über Missstände zu sprechen und das passiert ja gerade sehr stark. Auch „ProQuote“ wäre ohne das Internet nie so schnell so erfolgreich gewesen. Diese Situation ist in gewisser Weise vergleichbar mit dem arabischen Frühling.

Mittlerweile geben Sie Ihre Erfahrungen ja auch schon an andere Gruppen weiter.

Richtig. Die Medizinerinnen wollen zum Beispiel eine Initiative wie die unsere ins Leben rufen. Das zeigt, dass bessere Aufstiegschancen für viele Frauen hierzulande ein dringendes Anliegen ist. Die vielen langen Nächte und Wochenende haben sich gelohnt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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