„Wir werden alles daransetzen, dass es nicht zu großflächigen Schulschließungen kommt.“
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Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den Schulstart in Rheinland-Pfalz in dieser Woche?
Positiv und mit Zuversicht. Alle freuen sich, dass die Schule wieder losgeht – auch wenn es ein Schulstart unter besonderen Bedingungen ist. Aber Schulen wie Politik haben sich über die Sommerferien sehr gut darauf vorbereitet und deshalb bin ich sehr sicher, dass der Start insgesamt gut gelingen wird.
In einigen Bundesländern sind die Sommerferien bereits vorbei. Können andere Länder von Erfahrungen, die dort zum Schulbeginn gemacht wurden, bereits profitieren?
Ja, auf jeden Fall. Wir tauschen uns sehr eng im Kreis der Kultusministerinnen und -minister aus, um zu sehen, welche Dinge gut laufen und wo möglicherweise noch Probleme auftreten. Unser Ziel ist auch, immer einen gemeinsamen Rahmen zu finden, bei allen Unterschieden, die es zwischen den Bundesländern natürlich gibt.
Außer in Nordrhein-Westfalen gibt es bisher in keinem Bundesland eine Maskenpflicht im Klassenraum. Eine gute Entscheidung?
Es ist die richtige Entscheidung. Eine Maskenpflicht im Schulgebäude und auf dem Schulhof gibt es ja in nahezu allen Ländern – und zwar aus gutem Grund. Nur wer auf seinem Platz im Klassenraum sitzt, muss im Regelfall keine Maske tragen. Nordrhein-Westfalen hat sich für die älteren Jahrgänge begrenzt bis zum 31. August für eine Maskenpflicht auch während des Unterrichts entschieden, weil das Infektionsgeschehen im Land zurzeit sehr hoch ist. Das kann ich gut nachvollziehen. Übrigens haben alle Kultusministerinnen und -minister nicht ausgeschlossen, dass wir bei einem hohen Infektionsgeschehen die bestehende Maskenpflicht erweitern müssen. Die Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen werden wir dazu gemeinsam auswerten.
Seit einigen Tagen steigt die Zahl der Neuinfektionen deutlich an. Wie groß ist die Gefahr, dass die Schulen wieder schließen müssen, kurz nachdem der Unterricht wieder richtig begonnen hat?
Die Dynamik des Infektionsgeschehens kann niemand exakt voraussehen. Aber es ist vollkommen klar, dass wir Corona nicht vollständig aus den Schulen werden heraushalten können. Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Im Laufe der kommenden Monate werden also sicher einzelne Klassen in Quarantäne gehen müssen und manche Schulen werden auch vorübergehend geschlossen werden. Wir werden aber alles daransetzen, dass es nicht zu großflächigen Schulschließungen kommt. Präsenzunterricht ist für die Schülerinnen und Schüler sehr wichtig. Deshalb wird jetzt wieder möglichst viel Schule in der Schule stattfinden – darin sind wir uns alle einig.
Als im Frühjahr die Schulen geschlossen waren, hat sich die Zeit, in die Schüler*innen gelernt haben, halbiert. Wie lässt sich das künftig vermeiden?
Am besten, indem möglichst viel Unterricht als Präsenzunterricht stattfindet. Wenn das nicht möglich ist und wieder mehr Unterricht im Homeschooling angeboten wird, haben wir inzwischen aber deutlich mehr Erfahrung als noch im Frühjahr. Als Corona ausgebrochen ist, gab es ja keine Blaupause dafür, wie Unterricht ausschließlich zuhause stattfinden kann. Das ist nun anders. Die Schulen sind schon vor den Sommerferien aufgefordert worden, für das neue Schuljahr Konzepte für alle drei Szenarien – Regelunterricht, eingeschränkter Präsenzunterricht und Schulschließungen – Konzepte zu entwickeln. Von den Erfahrungen der letzten Wochen und Monate werden die Schulen sicher profitieren.
Welche Lehren ziehen Sie aus den Schulschließungen im Frühjahr mit Blick auf die Verzahnung von Präsenzunterricht und Homeschooling?
Ganz entscheidend ist, dass wir bei der Digitalisierung besser vorankommen. Fernunterricht funktioniert natürlich viel besser, wenn wir gut digitalisierte Schulen und erfahrene Lehrkräfte haben. Da haben aus meiner Sicht in den vergangenen Monaten alle einen riesigen Sprung gemacht – sowohl mit Blick auf die Technik als auch mit Blick auf Knowhow. Eine weitere Lehre, die wir aus dem Frühjahr ziehen, ist die, dass es sehr wichtig ist, dass Schülerinnen und Schüler auch zuhause regelmäßig eine Rückmeldung ihrer Lehrkräfte erhalten.
Manche fordern möglichst bundeseinheitliche Corona-Regeln für die Schulen, andere sagen, man solle das meiste den Schulen überlassen, da sie die Situation vor Ort am besten einschätzen können. Wie sehen Sie das?
Ein gemeinsamer Rahmen aller Bundesländer ist schon wichtig. Gleichzeitig brauchen wir die Flexibilität vor Ort, einfach weil die Situationen sehr unterschiedlich sind. Eine kleine Grundschule ist etwas völlig anderes als eine groß berufsbildende Schule. Da ist die Möglichkeit, vor Ort spezifische Anpassungen der allgemeinen Regeln vornehmen zu können, sehr wichtig.
Gibt es Bereiche, in denen Sie sich mehr Unterstützung vom Bund erwarten würden?
Bildung und Schulpolitik sind Sache der Länder. Es ist gut, dass wir den Bildungsföderalismus haben – das zeigt sich gerade in der aktuellen Situation, in der wir viel voneinander lernen können. Es ist aber trotzdem wichtig, Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen. Das bedeutet auch, dass der Bund sich vor allem was die Digitalisierung angeht an der Finanzierung beteiligen muss. Mit dem Digitalpakt I und dem Sofortausstattungsprogramm für bedürftige Schülerinnnen und Schüler macht er das auch bereits. Unsere SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat dafür sehr erfolgreich gekämpft. Je mehr Bund und Länder bei der Digitalisierung gemeinsam auf den Weg bringen, desto besser.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.