Die SPD sollte ihr Programm wieder ernster nehmen, findet Hanne Modder. Die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen fordert einen „vorsorgenden Sozialstaat“.
Die Wahlergebnisse geben jeden Anlass: Die SPD diskutiert über ihre programmatische Ausrichtung. Wir waren als Sozialdemokratie in unserem Verständnis jedoch schon einmal weiter. „Wir wollen den vorsorgenden Sozialstaat, der Sicherheit, Teilhabe und gleiche Lebenschancen gewährleistet“ – so das Hamburger Grundsatzprogramm von 2007. Wenn man diesen Anspruch ernst nimmt, bedeutet der vorsorgende Sozialstaat mehr als die klassische Sozialpolitik. Der „Vorsorgende Sozialstaat“ hat nicht nur die Aufgabe, Fehlentwicklungen auszugleichen, den Schwächsten zu helfen. Er hat die viel weitergehende Aufgabe, Vorsorge zu treffen, damit Notlagen überhaupt nicht entstehen können. Betriebsrat und Management – die Formulierung von Stephan Weil wäre hierfür eine prägnante Beschreibung.
Sozialstaat und soziale Gerechtigkeit dürfen nicht auf Fragen der sozialen Sicherungssysteme beschränkt werden. Der Anspruch an den „vorsorgenden Sozialstaat“ ist weiter gefasst. Hierzu gehören die Bildungspolitik, die Haushalts- und Finanzpolitik, aber genauso die Frage, wie man die Kommunen wieder in die Lage versetzt, kommunale Daseinsvorsorge und damit gesellschaftliche Teilhabe zu organisieren. Dazu gehören aber auch die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik – und beim Nennen dieser Begriffe bedarf es keines Rückfalls in alte Konflikte. Ein Beispiel für Niedersachsen: Beim Ausbau der Gesundheitswirtschaft in Teilen Niedersachsens geht es natürlich um Gesundheit und Gesundheitsdienstleistungen, aber auch um wirtschaftliche Perspektiven für die jeweiligen Regionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. „Vorsorgende Sozialpolitik“ oder „Betriebsrat und Management“, der Titel ist egal, die inhaltliche Ausrichtung stimmt.
Das Schicksal unser Programme ist der Verlust an Kontinuitätslinien und Programmtraditionen. Klar, die Erde dreht sich weiter, die Antworten von früher – und selbst wenn das Früher nur wenige Jahre zurückliegt – helfen nicht immer weiter. Aber vielleicht ist unsere Partei, sind wir als Mitglieder und Funktionsträger gut beraten, Programme wieder ernster zu nehmen – sowohl im Umgang mit ihnen als auch bei ihrer Erarbeitung und Formulierung. Die Idee des „Vorsorgenden Sozialstaats“ bietet Anknüpfungspunkte für die aktuelle Debatte und sie verhindert, dass Gegensätze aufgebaut werden, wo diese eigentlich nicht gegeben sind.
ist Vorsitzende der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion, stellvertretende Landesvorsitzende der SPD Niedersachsen und Vorsitzende des SPD-Bezirks Weser-Ems.