Die Rede von Bundespräsident Joachim Gauck zum 20. Jahrestag des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen war ermutigend, ließ aber Versäumnisse des Staates unterbelichtet.

Beeindruckende Rede, starke Sätze, schöne Worte. Bundespräsident Joachim Gauck sagte in Rostock: „Heute und hier versprechen  wir: Allen Rechtsextremen und Nationalisten, all jenen, die unsere Demokratie verachten und bekämpfen, sagen wir: Wir fürchten euch nicht. Wo ihr auftretet, werden wir euch im Wege stehen. In jedem Ort, im ganzen Land, im ganzen Staat. Wir sind stark. Wir wissen es: Wir sind stark! Unsere Heimat kommt nicht in braune Hände!“

Diese Aussagen des Bundespräsidenten sind eindeutig wie schon sein Ausspruch „Euer Hass ist unser Ansporn“. „Wo ihr auftretet, werden wir euch im Wege stehen“, ist die Fortsetzung des Gedankens. Dies auszusprechen, war gerade in Rostock-Lichtenhagen nötig, wo sich vor 20 Jahren Anwohner und Polizei beschämend verhalten hatten, als Gastarbeiter und Asylbewerber angegriffen und ihre Wohnhäuser in Brand gesteckt  wurden.

Wenn Gaucks Worte jetzt zur Richtschnur des Staates und der Bevölkerung würden, können Rechtsextremismus und Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Minderheitenphobie zurückgedrängt werden. Wenn alle mitmachen und Gesicht zeigen anstatt wegzuschauen.

Noch sieht die Wirklichkeit aber anders aus. Aktionen und Programme gegen Rechtextremismus und Ausländerhass sind nicht gefördert, sondern behindert und beschnitten worden. Bund, Länder und Gemeinden haben Zuschüsse gestrichen. Mit einer Extremismusklausel werden aktive Initiativen und erfolgreiche Bündnisse unter Generalverdacht gestellt. Ganz abgesehen vom flächendeckenden Versagen der Überwachungs- und Polizeibehörden bei der Verfolgung der NSU-Mörder und der nicht immer schlüssigen Urteile von Gerichten.

Die klugen, klaren Worte von Bundespräsident Gauck dürfen nicht einseitig als erneuter Appell an „mutige Bürgerinnen und Bürger“ verstanden werden. „Vor allem brauchen wir auch einen Staat, der fähig und willens ist, Würde und Leben der Menschen zu schützen.“ Die in staatlichen Behörden verbreiteten Grundhaltungen müssen sich verändern.

Autor*in
Helmut Lölhöffel

lebt als freier Publizist in Berlin. Er war Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger, bei ddp, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau sowie Sprecher des Berliner Senats und Unternehmenssprecher.

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