Inland

"Wir laufen Gefahr, dass kleine Start-ups ausgebremst werden"

von Carl-Friedrich Höck · 25. April 2014

Netzneutralität adé? In den USA sollen Unternehmen sich künftig schnellere Internetleitungen für bestimmte Inhalte sichern können - gegen Bezahlung. Was das für die Zukunft des Internets bedeuten könnte, darüber sprach vorwärts.de mit Deutschlands Internetbotschafterin Gesche Joost.

vorwärts.de: In den USA sollen Konzerne künftig gegen Bezahlung erreichen können, dass bestimmte Internetinhalte schneller durch das Netz geleitet werden als andere. Ist das schon der Einstieg in ein Zwei-Klassen-Internet?

Joost: Ja, es ist leider zu befürchten, dass durch eine solche Regelung der Grundsatz der Netzneutralität aufgehoben wird und das Prinzip, dass alle Datenpakete gleich behandelt werden, nicht mehr gültig ist. 

Sie fordern, die Netzneutralität zu bewahren. Warum ist sie so wichtig? Und wohin könnte sich das Internet künftig entwickeln, wenn die Netzneutralität aufgehoben wird?

Das Prinzip des offenen und neutralen Netzes ist wichtig, um allen die gleichen Chancen zu bieten - egal ob dem kleinen Start up, den NGOs, multinationalen Konzernen oder dem privaten Nutzer mit seinem Blog. Nur dann kann die Vielfalt des Netzes erhalten bleiben. Wenn dieses Prinzip ausgehebelt wird, laufen wir Gefahr, den großen Anbietern durch eine rein kommerzielle Bewertung das Feld zu überlassen – so dass die etablierten Dienste schnell durchgeleitet werden, die kleinen Start ups jedoch ausgebremst werden.

Welche Auswirkungen wird die Entscheidung der US-amerikanischen Telekommunikationsaufsicht FCC auf die Zukunft des Internets in Deutschland haben?

Im Moment zeichnen sich zwei unterschiedliche Sichtweisen ab. Auf europäischer Ebene wurde – dank Neelie Kroes – gerade die Netzneutralität als europäischer Grundsatz manifestiert, und dem folgt auch Deutschland. Die USA entwickeln sich in die gegenteilige Richtung. Ich hoffe, dass Europa weiterhin die Idee des offenen Netzes garantiert, so dass die Entscheidung keine direkten Auswirkungen auf die politische Strategie in Deutschland haben wird.

Mit den geplanten Änderungen reagiert die US-amerikanische Telekommunikationsaufsicht FCC auf ein Gerichtsurteil vom Januar. Darin heißt es sinngemäß, die FCC überschreite ihre Kompetenzen, wenn sie privaten Internetprovidern eine strikte Netzneutralität vorschreibt. Halten Sie es für möglich, dass auch in Deutschland Unternehmen die Netzneutralität juristisch anfechten könnten?

Momentan können wir uns auf europäisches Recht berufen und haben hier klare Regelungen, was Netzneutralität in der Umsetzung bedeutet.

Gesche Joost ist Designforscherin und vertritt Deutschland im Club der sogenannten "Digital Champions". Das Gremium befasst sich mit Fragen des digitalen Wandels in der Europäischen Union.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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