Rund 1 000 Einladungen hatte das Team um Leiter Jürgen Lillteicher und Julia Hornigk, Museumspädagogin und Historikerin, verschickt, zur Eröffnung des Lübecker Willy-Brandt-Hauses am
gestrigen Dienstag - Brandts 94. Geburtstag - kamen dann über 800 Gäste aus dem ganzen Bundesgebiet, darunter Angehörige, Freunde und Weggefährten wie der Schriftsteller Günter Grass, der vor fünf
Jahren den Anstoß zur Errichtung des Hauses gab.
Das stattliche Bürgerhaus in der Königstraße 21, das Brandt nie bewohnt hat - er wuchs im ärmlichen Arbeiterviertel St. Lorenz auf - war nach anfänglichen Querelen der Willy-Brandt-Stiftung
von der Stadt zur Verfügung gestellt worden, weil es zentral liegt und mit seiner Rokoko-Fassade und der noblen Restaurierung standesgemäßes Erinnern versprach. Das Haus in dfer Nähe von Brandts
Gymnasium "Johanneum" wurde für 2,8 Millionen Euro überwiegend mit Bundesmitteln restauriert und beherbergt nun eine Ausstellung über Brandt. Sie ist multimedial auf neuestem Stand und stattet über
ein einzigartiges Chipkartensystem die Besucher mit altersgerechten Audiokommentaren aus. In jede Station kann man sich indivduell einlocken und die in zweieinhalb Jahren gesammelten Exponate, aber
auch Ton- und Bilddokumente erfahren.
SPD-Vorsitzender Kurt Beck würdigte Brandt mit einer umfangreichen Rede: "Mit keinem Namen der Nachkriegsgeschichte ist so viel Hoffnung auf moralische Erneuerung der Politik, auf mehr
Demokratie und soziale Gerechtigkeit verbunden." Brandt habe an das andere Deutschland geglaubt und deshalb zur SPD gefunden und sei diesem Glauben treu geblieben, als 1933 bis 1945 Deutschland
Unheil über sich und andere gebracht habe. Er würdigte den Ost-, Friedens- und Entspannungspolitiker, aber auch den Kanzler, der 1969 "mehr Demokratie wagen wollte" und 1970 in Warschau um
Vergebung für die Taten bat, die seine politischen Feinde, die Nazis, begangen hatten. Am Lebensende habe er als Frucht seiner Ostpolitik die deutsche Vereinigung miterleben dürfen, so Beck, der
mit einem abgewandelten Brandt-Zitat schloss: "Lassen Sie uns mehr europäische Demokratie wagen." Günter Grass hoffte, dass "das Haus hier in der Lübecvker Königsstraße Raum gibt für die Gespräche
der Verfeindeten," überall in der Welt, wo Teilung drohe oder anhalte, wo die wachsende Distanz zwischen Arm und Reich menschenverachtende Folgen habe.
Quellen: Süddeutsche Zeitung, Stuttgarter Zeitung vom 19. Dezember, SPD-Pressstelle vom 18. Dezember (Beck-Rede PM 726/07), Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. Dezember, DIE WELT vom 17.
Dezember,
Willy-Brandt-Haus Lübeck, 0451/122 4250, www.willy-brandt-luebeck.de.
Zum Verhältnis Grass und Brandt siehe auch: Kurt Beck (Hg.), "Schlagt der Äbtissin ein Schnippchen, wählt SPD" Günter Grass und die Sozialdemokratie, vorwärts buch Verlag, Berlin 2007,
war von 1994 bis 1998 Büroleiter und Persönlicher Referent des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rüdiger Fikentscher.