Inland

Wie SPD-Abgeordnete ihre eigene Einbürgerung erlebt haben

Die Bundesregierung will das Staatsbürgerrecht reformieren und u.a. künftig die doppelte Staatsbürgerschaft für alle erlauben. Sieben SPD-Bundestagsabgeordnete berichten, wie sie ihre eigene Einbürgerung erleben haben.
von Jonas Jordan · 7. Dezember 2022
Sieben SPD-Bundestagsabgeordnete berichten, wie sie ihre Einbürgerung erlebt haben.
Sieben SPD-Bundestagsabgeordnete berichten, wie sie ihre Einbürgerung erlebt haben.

Bereits mehr als 60 Prozent aller Menschen, die aktuell in Deutschland eingebürgert werden, dürfen zusätzlich zum deutschen ihren vorherigen Pass behalten. Das gilt beispielsweise für EU-Bürger*innen oder Menschen aus Nationen, in denen es grundsätzlich nicht möglich ist, die Staatsangehörigkeit abzulegen. Es ist jedoch momentan nicht allen Menschen erlaubt, mehrere Staatsangehörigkeiten zu besitzen. Das will die Bundesregierung ändern und für das „modernste Staatsangehörigkeitsrecht der Welt“ sorgen.

„Ich hatte eine innere Hemmung, mich einbürgern zu lassen. Denn für mich war klar: Ich muss einen Teil der Identität meiner Eltern hergeben“, berichtet die SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur darüber, wie sie 2007 im Alter von 34 Jahren ihren türkischen Pass abgeben musste, um deutsche Staatsbürgerin werden zu können. Obwohl sie den Wunsch verspürt habe, sich stärker in der deutschen Gesellschaft einzubringen und auch wählen zu dürfen, sei diese Entscheidung für sie schmerzhaft gewesen.

Türk-Nachbaur: Doppelte Staatsbürgerschaft als Meilenstein

Daher sagt sie: „Der Zugang zur doppelten Staatsbürgerschaft ist ein enormer Meilenstein, insbesondere für die sogenannte Gastarbeiter-Generation wie zum Beispiel meine Eltern. Sie haben sich buckelig gearbeitet für dieses Land. Bislang haben sie keine große Wertschätzung für ihre Leistung bekommen.“ Jetzt würden eben jene Menschen durch die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft eingeladen, stärker Teil der Gesellschaft zu werden und das Land aktiv mitzugestalten. „Das ist einfach grandios“, findet Türk-Nachbaur.

Hakan Demir, SPD-Abgeordneter aus Berlin, berichtet von der Einbürgerung seiner Familie im Jahr 1999. Auch bei ihnen habe das Wahlrecht eine besondere Rolle gespielt. „Ich kann mich noch daran erinnern, wie sehr sich meine Mutter gefreut hat, als sie bei einem Infostand war und eine rote Rose bekommen hat, natürlich von der Sozialdemokratie. Sie hat gestrahlt und fand die Möglichkeit, wählen zu gehen und gesehen zu werden, sehr wichtig. Das wollen wir jetzt mit den Plänen aus dem Innenministerium beschleunigen.“ Statt wie bislang nach acht sollen Menschen schon nach fünf Jahren die Möglichkeit zur Einbürgerung erhalten, bei besonderen Leistungen sogar bereits nach drei Jahren.

Ye-One Rhie: „Es geht um Anerkennung, Wertschätzung und Respekt“

Bei Ye-One Rhie dauerte es 21 Jahre von ihrer Geburt 1987 in Aachen bis zu ihrer Einbürgerung im Jahr 2008. „Bis dahin war ich auch nur Mitglied der Jusos und nicht der SPD, weil für mich total klar war, dass ich nicht Mitglied einer Partei werde, die ich selbst gar nicht wählen kann“, sagt die SPD-Politikerin. So wie ihr gehe es „unglaublich vielen Menschen“, die sich mit Deutschland identifizierten, aber keinen deutschen Pass besitzen. „Deswegen geht es um Anerkennung, um Wertschätzung, um Respekt und vor allem um Unterstützung“, macht sie deutlich. Was das angeht, könne es für sie gar nicht schnell genug gehen.

Auch Karamba Diaby, direkt gewählter SPD-Abgeordneter aus Halle in Sachsen-Anhalt mit Wurzeln im Senegal, findet die geplante Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes wichtig, „weil davon Millionen Menschen in Deutschland profitieren können und die Möglichkeit bekommen, wählen zu gehen und gewählt zu werden“. Kaweh Mansoori ist Bezirksvorsitzender der SPD in Südhessen. Er wurde 1988 in Gießen geboren, jedoch auch erst 1997 eingebürgert. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie sehr wir uns darauf gefreut haben, damit wir endlich auch voll zu dieser Gesellschaft dazu gehören“, berichtet er.

Kaweh Mansoori: Viele Bundestagsabgeordnete als gutes Beispiel

Eingebürgert zu werden bedeute für Millionen Menschen, vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu werden und Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen. „Es geht um Respekt und Anerkennung. Deswegen ist es gut, dass diese Koalition das Einbürgerungsrecht jetzt auch angeht“, sagt Mansoori zu den Plänen der Bundesregierung und fügt mit Blick auf die geplanten Änderungen bei der Mehrstaatlichkeit an: „Ich glaube, viele amtierende Bundestagsabgeordnete sind ein gutes Beispiel dafür, dass man sich zu den Werten dieses Landes bekennen kann, ohne die eigenen Wurzeln abzulegen.“

Adis Ahmetović wurde in Hannover geboren und ist dort im vergangenen Jahr direkt als Abgeordneter in den Bundestag gewählt worden. Den deutschen Pass hat der 29-jährige Sohn bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge erst vor wenigen Jahren erhalten. „Erst mit 18 konnte ich meine Einbürgerung beantragen. Sie hat ganze vier Jahre gedauert“, berichtet er. Für ihn gehe es nicht darum, jemandem einen Pass hinterherzuwerfen wie von manchem Konservativen suggeriert, vielmehr gehe es um Anerkennung und Respekt. 

Im Alter von 16 Jahren wurde Pasa Marvi, SPD-Abgeordneter aus Karlsruhe, eingebürgert. Daher fordert er: „Ich möchte, dass viel mehr Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben und arbeiten. Ich möchte, dass die Kinder von Zuwandererfamilien, die hier geboren wurden, eingebürgert werden. Ich möchte mehr Respekt und Teilhabe. Deswegen brauchen wir jetzt ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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