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Wie Sigmar Gabriel für mehr Sicherheit in Deutschland sorgen will

Der Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt hat eine Debatte über die Sicherheit in Deutschland entfacht. In einem Papier macht SPD-Chef Sigmar Gabriel nun umfangreiche Vorschläge für eine „sozialdemokratische Sicherheitspolitik“ – und grenzt seine Partei damit vom Koalitionspartner ab.
von Kai Doering · 3. Januar 2017
Für mehr Sicherheit: SPD-Chef Sigmar Gabriel möchte die Kameraüberwachung des öffentlichen Raums ausbauen.
Für mehr Sicherheit: SPD-Chef Sigmar Gabriel möchte die Kameraüberwachung des öffentlichen Raums ausbauen.

Der Schock war groß nachdem am 19. Dezember der Tunesier Anis Amri einen gestohlenen LKW auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gesteuert und damit zwölf Menschen getötet und Dutzende schwer verletzt hatte. In den Monaten zuvor hatten bereits Attentate in Frankreich und Belgien für Verunsicherung in Deutschland gesorgt.

Vorschläge für mehr Sicherheit in Deutschland

„Es ist unübersehbar, dass Sicherheit sich zu einem ganz zentralen Wertebegriff in Deutschland und Europa entwickelt hat“, schreibt deshalb Sigmar Gabriel in einem Papier, das er am Dienstag erst an die Mitglieder des Parteivorstands und die sozialdemokratischen Minister der Bundesregierung geschickt und kurz darauf auf der Internetseite der SPD veröffentlicht hat. „Zeit für mehr Sicherheit in Zeiten wachsender Unsicherheit“ lautet die Überschrift.

Auf sieben Seiten macht der SPD-Chef Vorschläge, wie die Sicherheit in Deutschland angesichts zunehmender Bedrohungen aus seiner Sicht verbessert werden kann – und grenzt seine Partei gleichzeitig vom Koalitionspartner ab. „Zentraler Unterschied zur SPD ist, dass CDU/CSU sich ausschließlich auf Gesetzesverschärfungen konzentrieren“, schreibt Sigmar Gabriel.

Stegner: „Kein deutsches FBI“

So hatte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ u.a. für die Einrichtung von „Bundesausreisezentren“ für abgelehnte Asylbewerber und eine Zentralisierung von Polizei- und Geheimdienstaufgaben ausgesprochen. Ein „ deutsches FBI bzw. CIA“ lehnte SPD-Vize Ralf Stegner postwendend ab und Sigmar Gabriel forderte: „Wir müssen jetzt sagen, was wir tun wollen, und nicht erst große Behördenumstrukturierungen machen.“

Auch in seinem Papier schlägt der SPD-Chef zwar Gesetzesänderungen vor. So sollen öffentliche Plätze besser per Video überwacht, die Möglichkeiten einer „Abschiebehaft für nicht in Deutschland aufenthaltsberechtigte Gefährder“ ausgeweitet und die Datensysteme der Sicherheitsbehörden von Bund, Ländern und Kommunen vereinheitlicht werden. Zudem fordert Gabriel, „radikal-islamistische und salafistische Moscheen“ zu schließen. Gleichzeitig mahnt er aber auch: „Wer sich nur auf Gesetzesänderungen konzentriert, wird keinen Erfolg haben und die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger enttäuschen.“

Eine „aufgeklärte Debatte“ über die Aufgaben der inneren Sicherheit

Gegen den – wie ihn Gabriel nennt – „home grown“-Terrorismus würden nicht die von CDU und CSU geforderten Transitzonen an den deutschen oder europäischen Außengrenzen helfen, da sich alle bisherigen Terroristen erst nach ihrer Einreise radikalisiert hätten. Zudem habe rund die Hälfte aller als „Gefährder“ Eingestuften die deutsche Staatsangehörigkeit. Sigmar Gabriel fordert deshalb eine „aufgeklärte Debatte“ über die Aufgaben der inneren Sicherheit. Diese sei ein „ursozialdemokratisches Thema“, da soziale Sicherheit und Gerechtigkeit „nur in einer friedfertigen und sicheren Gesellschaft entstehen“ könnten.

Ebenso wichtig wie sicherheitspolitische Verschärfungen sei deshalb der Ausbau der Präventionsarbeit, „um auch kulturell und intellektuell den Kampf gegen den islamistischen Terror aufzunehmen“. Hier will der SPD Chef stärker mit Moscheegemeinden zusammenarbeiten und „ein großes, finanziell und personell starkes, demokratisch kontrolliertes ‚Free Europa Network’ – ähnlich dem „Radio free Europe“ während des Kalten Kriegs – für eine Art Gegenpropaganda aufbauen.

Gewappnet gegen „linke“ Kritik

Möglicher Kritik nimmt Gabriel in seinem Papier gleich selbst den Wind aus den Segeln. Zwar sei ihm bewusst, „dass im ‚linken’ Spektrum der Politik schnell die Sorge auftaucht, alle diese Maßnehmen seien ein Weg in einen autoritären Staat, der am Ende die Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger beschneidet“, doch vertraue er auf „eine sehr funktionstüchtige Verfassungsgerichtsbarkeit“ sowie „eine wache Bürgergesellschaft und eine überzeugt demokratische Polizei und Justiz“.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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