Inland

Wie Rechte beim Karneval die Narrenfreiheit ausnutzen

Im Vorfeld des Karnevals wurde viel diskutiert – über Terrorgefahr und sexuelle Belästigung. Die fünfte Jahreszeit ist bisher weitgehend friedlich geblieben. Für Aufsehen sorgen allerdings rassistische Entgleisungen rechter Karnevalisten.
von Paul Starzmann · 9. Februar 2016
placeholder

AfD-Chefin Frauke Petry will an der deutschen Grenze im Notfall Schusswaffen einsetzen lassen, um als „ultima ratio“ auf flüchtende Menschen zu schießen. Ein Brüderpaar aus dem Landkreis Erding scheint diesen Vorschlag jetzt symbolisch aufgegriffen zu haben: An dem diesjährigen Faschingsumzug im oberbayerischen Steinkirchen nahmen sie mit einer Panzerattrappe teil, auf ihren Wagen schrieben sie „Ilmtaler Asylabwehr“ und „Asylpaket III“.

Rechte Karnevalisten sorgen für Empörung

Aufmerksam gemacht hat auf den ungewöhnlichen Umzugswagen der Schauspieler und SPD-Lokalpolitiker Florian Simbeck, der das Gefährt fotografierte und das Bild bei Facebook teilte. Die Empörung der Netzgemeinde unter dem Hashtag #besorgtejecken folgte auf den Fuß. Binnen weniger Stunden wurde der Post über 800 mal geteilt, fast 2000 User klickten "Gefällt mir".

Beim Karnevalsverein Steinkirchen konnte man die Aufregung anfangs kaum verstehen. Es handle sich um reine „Gaudi“, hieß es zunächst laut Süddeutscher Zeitung. Inzwischen haben sich der Vorstand des Karnevalvereins sowie der Bürgermeister von der zynischen Aufschrift distanziert –  haben sich doch die Ermittlungsbehörden wegen des Anfangverdachts der Volksverhetzung eingeschaltet. Rassismus in den eigenen Reihen wollen die Narren aber nicht erkennen: Es sei doch sogar ein dunkelhäutiges Mädchen an dem Umzug beteiligt, erklärte der Vorsitzende des Karnevalvereins, Konrad Moll, gegenüber der Stuttgarter Zeitung.

„Die Plage kommt“

Die Liste der Geschmacklosigkeiten bei den diesjährigen Karnevalsfeiern lässt sich fortsetzen: Im sächsischen Altenberg wurden Menschen, die heute vor Kriegen nach Deutschland fliehen, mit den europäischen Eroberern Nordamerikas verglichen.

Im thüringischen Wasungen liefen als Heuschrecken verkleidete Narren neben einer Zugattrappe mit dem Schriftzug „Balkan-Express“ – das Motto des Motivwagens: „Die Plage kommt“. Auch hier wird wegen Volksverhetzung ermittelt.

Auf Twitter werden unter den Hashtags #nichtmeinkarneval und #besorgtejecken weitere Bilder geteilt, die zynisch-rassistische Faschingsmotive zeigen.

Erinnerungen an Pegida geweckt

Auch in Österreich ist der rechte Mob mit von der Partie bei den diesjährigen Faschingsfeiern. In der Kleinstadt Maissau zeigten Karnevalisten am vergangenen Sonntag eine Puppe des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann (SPÖ). Darauf ist ein Foto zu sehen, das die Füße von am Galgen hängenden Menschen zeigt. Darunter der Satz: „Islam verleiht Flügel“. Der Fall erinnert an Pegida im Oktober 2015, als ein Demonstrant einen Galgen für Sigmar Gabriel in die Luft hielt.

Die Sorgen um den diesjährigen Karneval waren groß: Würde es sicher für Frauen sein, sich in Köln frei zu bewegen? Könnten islamistische Terroristen womöglich einen Anschlag im Rheinland verüben? Der Extremismus von Rechts spielte in der Debatte um Karneval 2016 keine Rolle. Rassistische Motivwagen sowie die Anzeigen wegen Volksverhetzung zeigen nun jedoch, zu welchen Entgleisungen die Narrenfreiheit führen kann.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare