Wie Olaf Scholz im ZDF zur Koalitionsfrage Klartext spricht
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Eineinhalb Stunden müssen die Kanzlerkandidat*innen in der ZDF-Sendung „Klartext“ Rede und Antwort stehen. Rund 70 Bürger*innen sind im Studio versammelt, um die Kandidat*innen live zu den verschiedensten Themen zu befragen. Wie unterschiedlich die Befragten dabei den Begriff „Klartext“ verstehen, zeigen Olaf Scholz und Armin Laschet – jeder auf seine Weise.
Zum Auftakt der Sendung am 9. September beweist Armin Laschet einmal mehr, wie wenig er konkrete Aussagen schätzt und wie begrenzt das inhaltliche Angebot der Union an die Wähler*innen ist. Sogar vor einer Lüge macht er nicht Halt: Nach der „Ehe für alle“ befragt, behauptet Laschet, „Ich hätte dafür gestimmt“, hätte er an der Bundestagsabstimmung 2017 teilgenommen. Das hatte er nicht, da er kein Bundestagsabgeordneter war. Tatsächlich hatte sich Laschet aber 2017 im „Spiegel“ klar gegen die „Ehe für alle“ ausgesprochen, diese sei „verfassungsrechtlich nicht in Ordnung“. Die FDP in Nordrhein-Westfalen wollte dem Gesetz im Bundesrat zustimmen, Laschet legte sein Veto ein, NRW musste sich enthalten. Noch am Abend der Sendung wird der CDU-Kandidat der Lüge überführt.
Scholz: Das sind Punkte, die nicht verhandelbar sind
Wie man Fragen offen und ehrlich beantwortet, dass zeigt dagegen Olaf Scholz am Dienstagabend im ZDF. Da möchte ein Wähler von ihm wissen, „ob Sie jetzt mit den Linken koalieren wollen oder nicht?“. Scholz antwortet ohne Zögern: „Ich habe sehr klare Aussagen dazu gemacht, wie ich eine Regierung bilden und führen will. Es gibt Grundfunktionen unseres Staates, über die ich nicht verhandeln will.“ Hierzu zählt er die Zusammenarbeit Deutschlands mit den USA, die Mitarbeit in der NATO, die ordentliche Finanzierung der Bundeswehr, Auslandseinsätze der Streitkräfte, ein starkes und souveränes Europa, den ordentlichen Umgang mit Geld, Wirtschaftswachstum und die Gewährleistung der Sicherheit im Innern.
Der Moderator interveniert: Ob Scholz nicht fürchte, Wähler*innen zu verlieren ohne klare Absage an die Linke. „Die Bürgerinnen und Bürger wissen ganz genau, wer ich bin, und was ich machen werde und was ich nicht machen werde“, antwortet der. „Die Punkte, die ich eben genannt habe, sind für mich unabdingbar, darüber werde ich mit niemandem verhandeln. Und das muss für jede Regierung in Deutschland klar sein.“ Er werde mit künftigen Koalitionspartnern auch Kompromisse schließen, aber über diese Fragen, „gibt es nichts zu verhandeln“.
Scholz nutzt die Fragen der Studiogäste, um noch einmal die konkreten Vorhaben einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung deutlich zu machen. Für bezahlbares Wohnen etwa sollen jährlich 400.000 neue Wohnungen gebaut werden, 100.000 davon sozial gefördert. Die Mietpreisbremse soll weiter verschärft werden. Für Bestandwohnungen kündigt Scholz eine Mietpreisbegrenzung per Gesetz an.
Für Demokratie und Meinungsfreiheit
Auch die Außenpolitik ist Thema. Nach Erdogan und einem türkischen EU-Beitritt befragt, antwortet Scholz: „Wer in die Europäische Union aufgenommen werden will, muss die Kriterien erfüllen.“ Und zu diesen gehöre der Rechtsstaat, die Demokratie und dass man die Opposition nicht ins Gefängnis stecke. Das alles seien Dinge, „die gegenwärtig nicht gut sind in der Türkei“. Scholz betont: „Darüber darf man nicht hinwegsehen und auch nicht hinwegreden.“ Er sei für „gute Beziehungen zur Türkei“, aber was die Demokratie im Land angeht „läuft es gerade nicht gut“.
Schließlich empört sich ein Studiogast im Seniorenalter über eine neue „Sprachpolizei“, die ihm verbieten wolle, weiter „Zigeunerschnitzel“ zu sagen und die ihn zum Gendern zwingen wolle. Er habe das Gefühl, „dass ich nicht mehr das sagen kann, was ich will“, hält er Scholz vor. Der antwortet: Die Gesellschaft bestehe zur Hälfte aus Männern und Frauen, da sei es richtig, das auch sprachlich auszudrücken. Ob oder wie man das tue, das bleibe aber jeder und jedem selbst überlassen. Er selbst so Scholz, verwende „ganz bewusst“ männliche und weibliche Formen. „Was die Sprache betrifft, soll es jeder und jede so machen, wie man es selber richtig findet.“ Ob mit oder ohne Gendersternchen. Und konkret an den Studiogast stellt Scholz klar: „Es wird keine Vorschriften geben, es so oder so zu machen. Jeder wird seine Meinung sagen können, da soll es und darf es keine Beschränkungen geben. Niemand will sie umerziehen.“
Scholz: Bürger*innen wollen Union in der Opposition
Am Ende der Sendung spricht der Moderator Scholz auf das inzwischen berühmte Foto an, das ihn mit der „Merkel-Raute“ zeigt und will wissen: „Ist das für einen stolzen Sozialdemokraten nicht ein bisschen zu viel Anbiederung?“ Scholz lächelt. Und erklärt den Hintergrund des Fotos. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung habe ihn für eine Fotoserie befragt, die Antworten durften nicht gesprochen, sie mussten durch Gestik und Mimik gezeigt werden. Die Frage sei gewesen: „Was werden Sie von Frau Merkel vermissen?“ Da habe er die Raute gezeigt. „Ich fand’s lustig“, sagt Scholz und schmunzelt.
In der letzten Studio-Frage an den SPD-Kanzlerkandidaten geht es dann noch einmal um die Koalitionsfrage. Ist eine erneute große Koalition als Alternative zu einem Bündnis aus drei Parteien, „eine Option“ für ihn? „Es ist jetzt die Zeit, wo die Bürgerinnen und Bürger entscheiden“, antwortet Scholz. „Da ist wirklich jede Demut angesagt, für alle, die sich zur Wahl stellen.“ Er hoffe, dass viele, die überlegten, die SPD zu wählen, dies am Ende auch täten. Er spüre im Wahlkampf, „dass ganz viele sich wünschen, dass CDU/CSU jetzt auch mal in der Opposition sich neu orientieren. Und ich glaube, das sollte auch zustande kommen.“ Über eine Koalition werde die gesamte SPD entscheiden, aber klar sei auch, sagt Olaf Scholz lächelnd: „Es wird keine Koalition geben, mit der der Kanzler nicht einverstanden ist.“