Wie Metropolen sicher und vielfältig bleiben
picture alliance / zb
Unter den europäischen Großstädten gilt München als die sicherste. Die Menschen fühlen sich in der bayerischen Hauptstadt gut aufgehoben. Doch nach dem Amoklauf am 22. Juli war das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger „sofort wie weggewischt“ erzählt Oberbürgermeister Dieter Reiter. Ein junger Mann hatte in einem Einkaufszentrum neun Menschen und am Ende sich selbst getötet. „Es war wichtig, dass es gelungen ist, schnell eine hohe Polizeipräsenz zu zeigen, zu demonstrieren, dass Strafverfolgung funktioniert und die Bürger geschützt sind“, betont der Münchner OB. In der akuten und bedrohlichen Lage sei es auch ganz wichtig gewesen, den Menschen die Situation zu transparent erklären und schnell – als klar war, dass es ein Einzeltäter war – Entwarnung zu geben, erzählt Reiter. Er steht Seite an Seite mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller und dem Ersten Bürgermeister von Hamburg, Olaf Schulz, auf einer Sicherheitskonferenz in Berlin.
Mehr Polizei - mehr Sicherheit!?
Furchtbare Taten wie jene in München werfen ein Schlaglicht auf die schwierige Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, die die Politik treffen muss. Auf der einen Seite geht es darum, alles Notwendige zu tun, um die Menschen zu schützen und auch ihr subjektives Sicherheitsgefühl zu stärken – nicht zuletzt um Rechtspopulisten keinen Raum zu lassen. Auf der anderen Seite sind große Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg weltoffen und vielfältig.
Michael Müller betonte, wie wichtig ein handlungsfähiger Sicherheitsapparat ist, um Sicherheit zu schaffen: „Zu der wachsenden Stadt Berlin gehört natürlich auch eine wachsende Polizei und eine bessere Polizeiausstattung“, erklärte Müller. 1.000 Stellen seien geschaffen worden. Viele Millionen stünden zur Verfügung im Berliner Haushalt – sie seien allerdings nicht abgerufen worden – ein Seitenhieb an die Adresse von Innensenator Frank Henkel (CDU). Auch Münchens OB – der im übrigen die gute Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei betont – sieht noch Bedarf bei Details der Ausrüstung der Polizei.
Am Puls der Stadt
„In den großen Städten spüren wir direkt, was sich an Veränderungen im ganzen Land abzeichnet“, sagt Müller. Man müsse politisch auf das reagieren, was sich verändert in einer Stadt. „Wir merken, wie die Themen innere Sicherheit, Zuwanderung, Integration einen größeren Stellenwert bekommen in den Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgern.“
Doch die drei Stadtoberhäupter blieben nicht bei den reinen Fragen der inneren Sicherheit stehen. Wenn über Sicherheit und gutes Zusammenleben in Städten gesprochen wird, gehört für Michael Müller zwingend dazu „wie wir die Städte gestalten, jenseits der reinen Polizeiarbeit und Polizeiausstattung.“ Gebührenfreier, freier Zugang zu Bildung ist für ihn von entscheidender Bedeutung. Ähnlich denkt Olaf Scholz: „Es steht eigentlich in der amerikanischen Verfassung, was unsere drei Metropolen ausmacht: die Möglichkeit, den „Pursuit of Happiness“, also das eigene Glück, zu verfolgen. Wir, die Städte sind diejenigen, die die Möglichkeiten dazu bieten. Wir müssen dieses Glücksstreben unterstützen.“ Kindergartenplätze, Schulangebote, die Möglichkeit einer guten Berufsausbildung gehören dazu. Alle drei sind sich einig über ein zentrales Thema, an dem alle arbeiten müssen: eine Mischung in den Quartieren – über Kulturen und Nationalitäten und Einkommensgrenzen hinweg. Reiter fasst zusammen: „Wir brauchen eine aktive Stadtgestaltungspolitik.“
Weltoffenheit und Freiheit erhalten
Besonders ärgerlich findet Müller, wenn „Themen vermischt werden, die nichts miteinander zu tun haben“ wie die Fragen der inneren Sicherheit und der Integrationsarbeit. Als Beispiel nannte er etwa die gerade entflammte Diskussion um die doppelte Staatsangehörigkeit. Auch für seinen Amtskollegen Reiter ist eine wesentliche Frage, wie von verschiedenen politischen Kräften versucht wird, das Thema Flüchtlinge und Sicherheit zu verbinden. „Wir sind als Kommune gefordert, den Bürgern zu vermitteln, dass Sicherheit und Flüchtlinge nichts miteinander zu tun haben.“ Die Kriminalitäts-Statistik beweise genau das Gegenteil, nämlich das die Kriminalität unter Flüchtlingen niedriger ist als in der Normalbevölkerung.
Fatal für eine weltoffene Stadtgesellschaft wäre für den Regierenden Bürgermeister Berlins dass „wir uns zurückziehen, und uns nicht mehr so wie gewohnt bewegen können, dass man sich nicht mehr vorurteilsfrei begegnet. Am Tag des Münchner Amoklaufs war Müller in Berlin unterwegs, wo der Christopher Street Day 600.000 Menschen auf die Straße gelockt habe. Er habe Betroffenheit und Unsicherheit bei vielen gespürt. „Natürlich muss bei aktuellen Ereignissen konsequent und hart durchgegriffen werden. Aber uns ist wichtig: wir lassen uns unser tolerantes Zusammenleben, unsere Weltoffenheit und Freiheit nicht kaputt machen.“
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.