Wie man Jugendlichen Lust aufs Landleben macht
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Deutschland ist in Bewegung. Kleine Dörfer schrumpfen, große Städte wachsen. Gerade junge Menschen verlassen oft ihre Heimatgemeinden und kommen nur in den seltensten Fällen wieder zurück. Das Deutsche Jugendinstitut unterstrich erst im vergangenen Jahr mit einer Studie, dass die jugendliche Landflucht längst auch Bayern erreicht hat. Sie ist, so sagen Experten, ein unumkehrbarer Trend. Ein wenig optimistisches Bild, das die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann in der Form nicht vollends nachzeichnen will.
Nach der Flucht zurück in die Heimat
Ihr Plädoyer für das Landleben fiel deutlich aus: „Junge Leute sollen sich ruhig die Welt ansehen. Ich habe aber die große Hoffnung, dass sie mit Ende 20 ihre Perspektive ändern und wieder zu schätzen wissen, was sie an ihrer kleinen Heimatgemeinde haben, aus der sie zuvor geflüchtet sind“, sagte die Juso-Bundesvorsitzende bei einem Diskussionsabend der SPD in der 3.000-Einwohner-Gemeinde Röttenbach im mittelfränkischen Landkreis Roth. „Wie halten wir junge Menschen im ländlichen Raum?“, lautete die Frage des Abends.
Gleichzeitig legte die Juso-Chefin aber auch deutlich den Finger in die Wunde: Schlechte Ausbildungs- und Jobperspektiven, drohende Arbeitslosigkeit, die eingeschränkte Mobilität, verkrustete Strukturen in den Gemeinden, fehlende politische Mitspracherechte sowie die nicht vorhandene digitale Erreichbarkeit – an guten Gründen für die zumindest vorübergehende Landflucht der Jugend nannte sie eine Vielzahl.
Nicht nur Doppelhaushälften, sondern auch Einzimmerwohnungen
Neben einem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des schnellen Internets, forderte Uekermann insbesondere auch, den Investitionsstau auf dem Wohnungsmarkt zu beheben, damit die Kluft zwischen Stadt und Land zumindest nicht größer wird: „Um die Jugendlichen in ihren Heimatgemeinden zu halten, brauchen wir nicht nur Neubaugebiete, in denen Doppelhaushälften und Einfamilienhäuser hochgezogen werden, sondern auch günstige Einzimmerwohnungen, die sich Auszubildende oder Studierende leisten können.“
Eine effektive Strategie, Jugendliche im ländlichen Raum zu halten, machten Johanna Uekermann und Bernhard Abt, der in der Diskussion als Geschäftsführer des Kreisjugendrings im Landkreis Roth die Interessen der Kinder und Jugendlichen vertrat, vor allem mit Blick auf eines aus: mehr echte Beteiligungsmöglichkeiten in den Gemeinden. „Statt der frustrierenden Erfahrung von Partizipationsillusionen, wie es sie Jugendliche in Jugendparlamenten oder Zukunftswerkstätten leider allzu oft machen, müssen sie erleben, dass ihre Stimme Gewicht hat und sie ihre Zukunft aktiv gestalten und beeinflussen können“, so Johanna Uekermann. Dies schaffe eine Bindung, die nicht zu unterschätzen sei, zeigte sich auch Bernhard Abt überzeugt.
Uekermann: „Brauchen Kulturwandel in der SPD“
Die Juso-Bundesvorsitzende nahm dabei insbesondere auch ihre eigene Partei in die Pflicht: „Gerade bei uns Sozialdemokraten brauchen wir einen Kulturwandel, der die Beharrungskraft älterer Genossen nach dem Motto ‚das war schon immer so‘ überwindet und junge Leute motiviert, sich mehr einzubringen.“ In der Politik müssten junge Leute wieder zu festen Institutionen werden, jenseits von Akademikern.
Dafür, dass es daneben aber auch noch andere Gründe gibt, sich (wieder) auf dem Land niederzulassen, ist die Dritte Bürgermeisterin Röttenbachs Stephanie Schubert (SPD) selbst das beste Beispiel. Mit ihrer Familie entschied sich ganz bewusst für diesen Schritt. Die Tatsache, dass jeder jeden kennt – in der Jugend noch ein Fluch, mit zunehmendem Alter ein wiederentdeckter Segen. Man sei eine große Familie, helfe sich untereinander. Freunde, Familie und Eigentum könnten binden – auch langfristig.
Einfache Antworten gibt es nicht
Dass dabei die Rahmenbedingungen gerade in Röttenbach jedoch nicht eins zu eins die Situation vieler anderer Gemeinden widerspiegeln, machte Theresa Rank deutlich. Die 25-jährige Sozialarbeiterin leitet mit dem dortigen Familienzentrum für eine familienfreundliche Gemeindepolitik und -gestaltung eine Einrichtung, die weithin als Musterbeispiel gilt.
Vielleicht, so die am Ende treffende, wenn auch wenig überraschende Erkenntnis auf dem Podium, schaffe gerade eine Politik, die nicht nur in Sachen Straßen- und Kanalbau Akzente setzt, sondern auch solche Wege einschlägt, eine lebenswerte Heimat im ländlichen Raum, auch für Jugendliche. Fest stand am Ende aber auch, dass die Herausforderung, wie man die Jugend jedoch gar nicht erst verliert, nach wie vor eine der großen Fragen bleiben wird. Einfache Antworten ausgeschlossen.