Inland

Wie geflüchtete Lehrer zu Brückenbauern an deutschen Schulen werden

Mit einem bundesweit einzigartigen Programm macht die Uni Potsdam geflüchtete Lehrer fit, damit sie an deutschen Schulen tätig werden können. Sie sollen Brückenbauer werden und zwischen den Kulturen vermitteln. Das Interesse ist riesig.
von Vera Rosigkeit · 28. Juli 2016
Seit April nehmen Abdulkader Ajam und Alaa Kasaab an der Uni-Potsdam am Qualifizierungsprojekt für geflüchtete Lehrer an der Uni Potsdam teil.
Seit April nehmen Abdulkader Ajam und Alaa Kasaab an der Uni-Potsdam am Qualifizierungsprojekt für geflüchtete Lehrer an der Uni Potsdam teil.

Über Facebook habe sie von dem Kurs erfahren und sei sehr glücklich, dass sie teilnehmen kann. Vor acht Monaten ist die 23-jährige Alaa Kasaab über Österreich nach Berlin gekommen. Im syrischen Aleppo hat Kasaab vorher als Lehrerin im Kindergraten Englisch unterrichtet. Auch Abdulkader Ajam hat studiert. Elektrotechnik, „aber nur zwei Jahre, dann musste ich fliehen“, erzählt er. Gemeinsam mit seiner Mutter und einem jüngeren Bruder lebt er seit September 2015 in Potsdam. Mit dem Vater, der in Syrien blieb, habe er zweimal die Woche Kontakt, „wenn das Internet funktioniert“, sagt der 21-Jährige.

Deutsche Sprache als Voraussetzung

Nun sitzen beide in einem Seminarraum des Sprachzentrums der Universität Potsdam und lernen Deutsch, schnell und intensiv, 24 Unterrichtsstunden die Woche. Sie gehören zu den ersten, die am Potsdamer Qualifizierungsprogramm für geflüchtete Lehrer „Refugee Teachers Welcome“ teilnehmen.

Für viele geflüchtete Kinder an deutschen Schulen werden dringend Lehrer gesucht, erklärt Miriam Vock, Professorin für Empirische Unterrichts- und Interventionsforschung und Initiatorin des Programms. „Unsere Stärke ist die Lehrerausbildung“, fügt sie hinzu. So entstand die Idee für das bisher deutschlandweit einzigartige Projekt, geflüchtete Lehrer mit dem deutschen Schulsystem vertraut zu machen und ihnen eine Arbeit z.B. in Willkommensklassen zu ermöglichen. „Die Geflüchteten sind Vorreiter und können Brückenbauer für eine bessere Integration der neuen Schüler sein, sie können sprachlich und kulturell vermitteln“, sagt Vock.

Zahlreiche Schulen hätten bereits Interesse bekundet, wollen Einblicke in ihre Unterrichtspraxis gewähren. Doch schulpädagogische Kurse und Hospitationen sind erst nach erfolgreich absolviertem Sprachkurs im Herbst vorgesehen. Die Initiatoren des Projekts hoffen, dass die Teilnehmer im Anschluss an die Qualifizierung in Schulen als Lehrkräfte eingesetzt werden können. Allerdings reiche die Qualifikation nicht, um eine Befähigung zu erhalten, regulär an deutschen Schulen zu unterrichten. „Das Programm ist kein Schnellkurs ins Lehramt“, erklärt Uni-Vizepräsident Andreas Musil. Man sei im Gespräch mit dem Bildungs- und Wissenschaftsministerium, um mögliche Wege zu klären.

Weitergeben und nachmachen

Bildungsforscher Frederik Ahlgrimm sieht einen weiteren Vorteil des Projekts darin, dass deutsche Studierende so die Chance erhalten, „interkulturelle Kompetenzen zu erwerben“. Erste Erfahrungen können sie bereits im sogenannten Buddy-Programm sammeln, in dem sie die „Refugee-Teacher“ dabei unterstützen, sich im Alltag zurecht zu finden. Zudem ist Ahlgrimm davon überzeugt, dass sich der Projektgedanke auch auf andere pädagogische Berufe wie Sozialarbeiter oder Erzieher übertragen lässt. „Wir wollen Impulse geben und zum Nachahmen auffordern“, sagt er.

Der Bedarf ist da: Mit 15 bis 30 Bewerbern habe man ursprünglich gerechnet, sagt Vock. Rund 700 Flüchtlinge hätten sich aber beworben. Drei Kurse mit jeweils 20 Teilnehmer sind zunächst geplant. Der erste Kurs ist im April gestartet, zwei der Teilnehmener sind Alaa Kasaab und Abdulkader Ajam. Kassab hofft, wieder in ihren Beruf als Lehrerin einsteigen zu können, Ajam möchte studieren. Er zählt zu den wenigen, die ohne Lehrerausbildung die Chance erhalten, im Kurs intensiv Deutsch zu lernen.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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