Inland

Wie ein Bankkonto das Leben Hunderttausender vereinfachen soll

Ein Leben ohne Girokonto ist beschwerlich. Die SPD fordert deshalb schon seit langem das „Konto für Jedermann“. Im September soll es eingeführt werden. Auch für Flüchtlinge würde damit vieles einfacher.
von Kerstin Wintermeyer · 15. Januar 2016
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Menschen ohne eigenes Konto haben es im Alltag schwer und oft Probleme bei der Job- und Wohnungssuche. Das betrifft in Deutschland Hunderttausende. Die SPD setzt sich deshalb seit langem für das „Konto für Jedermann“ ein. Am heutigen Freitag hat der Bundestag erstmals über einen Gesetzesvorschlag debattiert. EU-Vorgaben machen es möglich. Mit dem neuen Zahlkontengesetz hat künftig jeder, der sich legal in der EU aufhält, Anspruch auf ein eigenes Konto, um am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilzunehmen – bei einer Bank seiner Wahl.

Für Justizminister Heiko Maas ist die Regelung „ein zentraler Schritt, damit alle Menschen voll am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können“. Damit steigen auch die Chancen für Flüchtlinge – Asylsuchende wie Geduldete – sich zu integrieren.

Das „Basiskonto“ ist nicht unbedingt gratis

Über das auf Guthabenbasis funktionierende Konto kann der Kunde Geld erhalten und überweisen, er erhält eine Bankkarte für den Zahlungsverkehr, auch Online-Banking ist möglich. Der Kunde darf sein „Basiskonto“ jedoch nicht überziehen oder einen Kredit aufnehmen. Und: „Basis“ heißt nicht unbedingt „gratis“. Gebühren dürfen erhoben werden.

Ziel der EU-Zahlungskontenrichtlinie ist der Abbau von Diskriminierungen wegen des sozialen Status, fehlenden (oder geringen) Einkommens und Wohnsitz. Für die zuständige Berichterstatterin der SPD-Fraktion Sarah Ryglewski ist ein Girokonto für alle deshalb schon längst überfällig. „Ohne Konto droht die wirtschaftliche Isolation“, sagt Ryglewski. „Wo werden Mieten, Gehälter oder Versicherungen heute noch bar bezahlt?“ Die SPD setzt sich daher schon lange dafür ein, den Zugang zu einem Girokonto zu garantieren.

Ein bezahlbares Konto für jeden

Für Ryglewski braucht es ganz klare Rahmenbedingungen des Basiskontos und seiner Funktionen. „Insbesondere muss sichergestellt sein, dass Online-Banking im Gesetz vorgeschrieben wird und dass das Konto bezahlbar ist. Unattraktive Bedingungen der Banken wie Gebühren für jede Transaktion oder die Möglichkeit, Überweisungen nur in der Filiale tätigen zu können, würden den Sinn des Basiskontos konterkarieren. „Schlupflöcher gilt es jetzt, gesetzlich zu verhindern“ fordert Ryglewski deshalb. „Wir Sozialdemokraten wollen ein vernünftiges und bezahlbares Basiskonto für alle ohne Wenn und Aber.“

Das neue Gesetz stärkt die Rechte aller Verbraucher. Banken müssen den Kontowechsel erleichtern – auch über Ländergrenzen hinweg – und besser über die Kosten ihrer Kontodienste und -entgelte informieren. Bis spätestens September 2016 muss das Gesetz in Kraft treten. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf, ein Gemeinschaftswerk von Finanz- und Justizministerium, mit dem die EU-Vorgabe aus dem Sommer 2014 in nationales Recht übersetzt werden soll, Ende Oktober 2015 verabschiedet. Im Bundestag laufen in den kommenden Monaten die Beratungen in den Ausschüssen.

„Eine Herzensangelegenheit der SPD“

Der Berichterstatter der SPD-Fraktion für Geldwäsche, Jens Zimmermann, erwartet, „dass das Gesetz schnell, noch im ersten Quartal 2016 durch den Bundestag geht. Und wir werden alles dafür tun, dass es an keiner Stelle und von keiner Seite unnötig aufgehalten wird“. Das Thema „Konto für Jedermann“ sei eine „wirkliche Herzensangelegenheit der SPD“, betont der Abgeordnete, räumt aber ein: „Das wird von Seiten des Koalitionspartners nicht ganz so vehement unterstützt, wie wir es gerne sehen würden.“

Die Kanzlerin habe nach dem Beschluss in der Kabinettssitzung „eigentlich klare Worte gefunden“, so Zimmermann. „Wir wissen aber auch, dass es von Seiten des unionsgeführten Innenministeriums besonders von der Fachebene sehr große Anstrengungen gibt, es den Flüchtlingen in Deutschland so schwer wie möglich zu machen. Ich fordere unseren Koalitionspartner auf, nicht weiter quer zuschießen.“

Eine Regelung im Sinne der Flüchtlinge und gegen Geldwäsche

Diskussionsstoff bieten die Anforderungen an ein Ausweisdokument, das laut Geldwäschegesetz (GWG, § 4) zur Kontoeröffnung erforderlich ist. Mit einer allerdings vorübergehenden Lockerung der strengen GWG-Vorgaben hat die Finanzaufsicht BaFin eine Hürde zur Kontoeröffnung beseitigt: Da Flüchtlinge oft keinen Pass mehr besitzen, sollen zur Identifikation auch Papiere der Asyl- und Meldebehörden ausreichen.

„Die Formulierung im Regierungsentwurf lässt in diesem Punkt Interpretationsspielraum. Da sind wir noch einmal hellhörig geworden“, erläutert Zimmermann. Entscheidend in der Frage werde sein, wie sich Finanzministerium und Innenministerium am Ende positionieren, so Zimmermann. „Aber ich gehe davon aus, dass wir eine Regelung im Sinne der Flüchtlinge hinbekommen.“

Auch unter dem Aspekt der Bekämpfung von Geldwäsche müsse es Ziel sein, dass möglichst viele Menschen ihre Geschäfte elektronisch über regulierte Konten abwickeln, bekräftigte der Finanzpolitiker in seiner Rede im Bundestag. So sei es auch möglich, Ermittlungsansätze für die Strafverfolgungsbehörden zu finden. „Also ist das Konto für Alle eben gerade nichts, das der Geldwäsche Vorschub leistet, sondern es ist ein Instrument zur Geldwäschebekämpfung.“

Autor*in
Kerstin Wintermeyer

ist freie Journalistin in Berlin.

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