Wie die SPD in NRW mehr Mitbestimmung schaffen will
picture alliance / Ulrich Baumga
2016 ist das Jubiläumsjahr des Mitbestimmungsgesetzes von 1976. Die betriebliche Mitbestimmung „made in Germany“ ist ein starkes Markenzeichen. Sie ist gelebte Demokratie in den Unternehmen und hat sich auch in Krisenzeiten bewährt. Gerade in diesen Monaten, in denen populistische Bewegungen das Vertrauen in die demokratischen Strukturen in Frage stellen, müssen wir die Mitbestimmung als Teil unserer demokratischen Kultur bewahren und stärken.
Flexibilisierung hat Vorteile und Risiken
Wir in Nordrhein-Westfalen sind stolz auf unsere funktionierende Sozialpartnerschaft. 63 Prozent der Beschäftigten in NRW unterliegen der Tarifbindung. Das sind vier Prozent mehr als in Westdeutschland insgesamt und sogar 14 Prozent mehr als in Ostdeutschland.
In einer digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt steht die Mitbestimmung vor ganz neuen Herausforderungen. So müssen wir im Zuge von „Arbeit 4.0“ auf eine zunehmende räumliche und zeitliche Entgrenzung von Arbeit reagieren. Denn Arbeit wird heute immer öfter außerhalb der regulären Arbeitszeit und des regulären Arbeitsortes verrichtet. Das hat für die Beschäftigten manche Vorteile, birgt aber auch Gefahren.
Nordrhein-Westfalen geht voran
Hinzu kommt die Globalisierung: Multinationale Konzerne operieren verstärkt aus dem Ausland heraus und treffen dort strategische Entscheidungen, die sich direkt auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland auswirken. Wir müssen also unser deutsches Mitbestimmungsgesetz an die Herausforderungen einer zunehmend digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt anpassen.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat deshalb eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel gestartet, die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten zu stärken und weiterzuentwickeln. Gemeinsam mit anderen Ländern haben wir den Entschließungsantrag „Mitbestimmung zukunftsfest gestalten“ in den Bundesrat eingebracht.
Lücken schließen, Grauzonen aufhellen!
Damit fordern wir den Bund auf sicherzustellen, dass die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Zuge der Digitalisierung erhalten bleiben. Und angesichts der fortschreitenden Globalisierung der Wirtschaft muss die Mitbestimmung auch auf der Ebene der deutschen Tochtergesellschaften multinationaler Konzerne erhalten bleiben. Wir rufen also die Bundesregierung auf, Lücken im deutschen und auch im europäischen Recht zu schließen.
Zum Beispiel muss der für die Mitbestimmungsgremien maßgebliche Arbeitnehmerbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes an die betrieblichen Realitäten angepasst werden. Denn die Anzahl arbeitnehmerähnlicher Personen wächst, die Wertschöpfungsstrukturen werden unübersichtlicher und die Grauzonen größer.
Gründung von Betriebsräten wird systematisch behindert
Oder das Beispiel Beschäftigtenbeteiligung: Der digitale Wandel führt zu Veränderungen der Strategie, der Organisation und der Unternehmenskultur: Gelernte Aufgaben und Arbeitsstrukturen werden durch neue ersetzt. Nur Teams, die in der Lage sind, eigene Ideen zu entwickeln, können sich zukunftsfest aufstellen. Deshalb müssen die Beschäftigten bei der Einführung neuer Techniken und Veränderungen von Arbeitsprozessen stärker beteiligt werden.
Mit Sorge betrachten wir in NRW die systematische Unterdrückung von Arbeitnehmervertretungen. Nach einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung wurde bei den 835 im Bereich der IG BCE und IG Metall erstmals durchgeführten Betriebsratswahlen etwa jede sechste Wahl (16,3 Prozent) seitens der Unternehmen behindert. Vor diesem Hintergrund werden wir prüfen, inwieweit gesetzliche Regelungslücken bestehen.
NRW will mehr!
Kluge Unternehmer wissen, dass Mitbestimmung auch ein Innovationsmotor ist. Der Arbeitsdirektor eines großen städtischen Eigenbetriebes hat das kürzlich auf den Punkt gebracht: „Durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit haben wir noch nie eine Unternehmensberatung gebraucht. Unsere Unternehmensberater sind unsere Mitarbeiter!“
NRW ist das Mitbestimmungsland Nummer eins in Deutschland. Unser Leitbild heißt „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“. Wer mehr aktive Beteiligung von Beschäftigten im Betrieb will, der muss auch die Mitbestimmung stärken. NRW will mehr!
ist Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.