Wie die SPD im Bundestag Merkel vorführt
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Es war die letzte Debatte im Bundestag vor der Wahl. Die SPD nutzte die Chance, um noch einmal die zentralen Unterschiede zur Union deutlich zu machen. Weil Martin Schulz, der nicht Mitglied des Bundestages ist, dies nicht selbst tun konnte, übernahmen die SPD-Abgeordneten und Minister diesen Part.
Nahles: „Reichlich abgehoben, Frau Merkel“
Die Versäumnisse der Kanzlerin in der Sozialpolitik listete Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) auf. Sie nannte es „reichlich abgehoben, Frau Merkel“, dass die Kanzlerin sich mittlerweile selbst für den Mindestlohn lobe. „Das sind keine anständigen Löhne“, rief Nahles der Regierungschefin zu.
Für Frauen bringt Martin Schulz mehr
Teilzeitarbeit sei ein Hauptgrund für niedrige Löhne. 46 Prozent der Frauen arbeiteten in Teilzeit, oft um den Job mit der Familienarbeit vereinbaren zu können. Nahles geißelte die „doppelte Bestrafung“ von Frauen: Zum einen verwehre man ihnen oft die Rückkehr von der Teilzeit- in die Vollzeitarbeit, zum anderen sei die Folge davon eine niedrige Rente. Die Union habe das Rückkehrrecht in Vollzeit blockiert. „Sie und niemand anders hat das Gesetz höchstpersönlich verhindert, Frau Merkel“, hielt Nahles der Kanzlerin vor. „Für die Frauen bringt’s am Ende mehr, wenn sie Martin Schulz wählen“, resümierte die Arbeitsministerin.
Deutlich kritisierte sie auch die Blockade der Union im Kampf gegen sachgrundlose Befristung in Arbeitsverträgen. Diese „gehört abgeschafft“. Das sei aber gegen CDU und CSU nicht zu machen gewesen.
Leere Versprechungen der Union
Die Union bekenne sich zwar öffentlich zur Vollbeschäftigung. „Dann muss man den Mumm haben, auch die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen“, verlangte Nahles. Das entsprechende Programm sei von Merkel und Schäuble blockiert worden. Statt 100.000 Langzeitarbeitslosen habe man so nur 20.000 eine Perspektive bieten können.
„Leere Versprechungen aller Art“, bilanzierte Nahles. Jetzt sei Merkel ja gegen die Rente mit 70, „nehmen wir sie mal beim Wort“. Die eigentliche Frage sei aber gar nicht so sehr das Renteneintrittsalter, sondern das Rentenniveau. So lange das weiter sinke, sinke auch das Vertrauen in die gesetzliche Rente, gerade auch bei Jüngeren. „Wollen wir, dass das Rentenniveau weiter sinkt? Oder ziehen wir eine Haltelinie ein?“, fragte die Arbeitsministerin Richtung Union. CDU und CSU hätten eine Haltelinie beim Rentenniveau abgelehnt. Die Folge: „Die Jüngeren sind die Gelackmeierten.“ Die SPD verfolge eine gänzlich andere Rentenpolitik. Die Sicherung des Rentenniveaus „ist für uns die erste Priorität“.
Oppermann: Haben Reformen gegen Merkel erkämpft
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nannte in seiner Rede zunächst das, was die SPD in den letzten vier Jahren in der Bundesregierung geleistet und durchgesetzt hat. Er nannte den Mindestlohn, die Begrenzung der Leih- und Zeitarbeit, die Frauenquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen, die Verbesserung der Situation von Alleinerziehenden, das erste Integrationsgesetz sowie die Angleichung der Renten in Ost und West. Er sei „stolz“ auf das, was in der Koalition erreicht werden konnte.
Aber: „Alles musste erkämpft werden“, kritisierte Oppermann, „oft gegen CDU und CSU und oft auch gegen Frau Merkel.“ So habe die Kanzlerin viele Reformen „bis zur Unkenntlichkeit beschädigt“. Die Mietpreisbremse funktioniere nicht, „weil Sie als Bundeskanzlerin ganz persönlich dafür gesorgt haben, dass es für die Vermieter ganz leicht ist, das Gesetz zu umgehen“. Merkel trage die Verantwortung für viele Mieterhöhungen in Deutschland.
Das Land braucht sozialdemokratischen Kanzler
Oppermanns Fazit: „Dieses Land braucht keine Bundeskanzlerin, die nur sozialdemokratisch redet, dieses Land braucht einen Bundeskanzler, der sozialdemokratisch handelt.“ An der Spitze der Regierung brauche es den Mut, die Zukunft zu gestalten. „Diesen Mut sehe ich bei ihnen nicht“, so Oppermann direkt an Merkel.
„Sie sind zwölf Jahre Bundeskanzlerin“. Die Bilanz: Deutschland liege hinter Lettland, Rumänien und Bulgarien bei der Internetgeschwindigkeit. „Sie haben dieses Zukunftsthema total verschlafen“, hielt der SPD-Fraktionschef der Kanzlerin vor.
Oppermann warnt Union: „So verspielen sie die Zukunft.“
„Völlig verschlafen, haben sie auch das Thema digitale Bildung.“ Die zuständige CDU-Bildungsministerin Wanka habe die zur Verfügung stehenden Mittel von vier Milliarden Euro vergessen, beim Finanzminister abzurufen. „So verspielen sie die Zukunft“, warnte Oppermann.
Dass Merkel bis heute das Kooperationsverbot verteidige, sei „ ein unsäglicher Anachronismus“. Das Verbot müsse endlich abgeschafft werden. „Gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Meisterprüfung“ müsse erreicht werden. Stattdessen gebe es durch die Bundesländer eine „Kleinstaaterei auf dem Rücken von Eltern und Kinder“. Oppermann verlangte „einheitliche Bildungsstandards“ in ganz Deutschland.
Faire Finanzierung der Krankenkassenbeiträge
Die Finanzierung der Krankenkassenbeiträge müsse wieder gerecht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu gleichen Teilen getragen werden. „Arbeitgeber müssen endlich wieder die Hälfte der Krankkassenbeiträge“ forderte der SPD-Fraktionschef.