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Wie die SPD-Fraktion Kinder besser vor Missbrauch schützen will

Der Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern geht alle an. Mit einem Positionspapier wollen SPD-Abgeordnete nun einen Weg aufzeigen, wie Kinder umfangreich geschützt und Betroffene besser unterstützt werden können.
von Vera Rosigkeit · 14. Juni 2023
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48 Fälle von Kindesmissbrauch erfolgen täglich, so die offiziellen Zahlen, „das Hellfeld“, wie es Daniel Baldy, zuständiger familienpolitischer Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, nennt. Hinzu komme ein großes Dunkelfeld, mit ein bis zwei betroffenen Kindern und Jugendlichen pro Schulklasse und jedem siebten bis achten Erwachsenen, die oder der in Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt erlebt habe, erklärt er.

Aufarbeitung, Prävention und Strafverfolgung

Weil der Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt und das Verbot des Bildmaterials dieses Missbrauches konsequenter um- und durchgesetzt werden müssen, hat die SPD-Bundestagsfraktion am Dienstag einstimmig das PositionspapierKinder vor sexualisierter Gewalt schützenverabschiedet. Im Mittelpunkt des umfassenden Handlungskatalogs stehen Aufarbeitung, Prävention und Strafverfolgung. Man wolle nicht die Symptome bekämpfen, sondern das Problem an der Wurzel packen, sagt Anna Kassautzki, zuständige digitalpolitische Berichterstatterin, am Mittwoch bei der Vorstellung des Papiers in Berlin.

Aufarbeitung intensivieren

Weil Kinderschutz „uns alle angeht“ wird gleich zu Beginn des Papiers erkkärt, dass Kinderrechte gestärkt werden und „endlich auch im Grundgesetz sichtbar“ werden müssten. In Richtung Justiz und Verwaltung wird gefordert, Kindern Gehör zu schenken.

Jede und jeder habe ein Recht auf individuelle Aufarbeitung, betont Baldy. Dabei gehörten die Betroffenen in den Mittelpunkt, sie sollten gestärkt werden. Akteneinsicht und weitgehende Informationsrechte zählten dazu. Laut Papier sollen vor allem die bereits bestehenden Institutionen der unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs gestärkt werden. Beide Institutionen sollen finanziell und personell besser ausgestattet und gesetzlich verankert werden.

Prävention fördern

„Wir reden viel über die Strafverfolgung von Online-Abbildungen sexualisierter Gewalt. Sie müssen schnell aus dem Netz entfernt werden“, sagt Carmen Wegge, zuständige innen- und rechtspolitische Berichterstatterin. „Aber dreiviertel der Fälle sexualisierter Gewalt erfahren den Missbrauch im nahen Familienfeld und das ist vor Ort.“ Deshalb sei Prävention so wichtig, betont sie. Es gehe um Sensibilisierungsmaßnahmen und Schutzkonzepte, die das „komplette soziale Umfeld des Kindes“ umfassen: vom Elternhaus über Erzieher- und Lehrer*innen bis hin zu Ärzt*innen. In allen Einrichtungen, in denen sich Kinder regelmäßig aufhalten, müsse ihr Recht auf Schutz gewährleistet sein.

Hier spiele auch die Stärkung von Kompetenzen eine wichtige Rolle. Da viele dieser Annäherungen in Online-Spielen stattfänden, müsse auch hierfür sensibilisiert werden, betont Kassautzki. Die Altersempfehlungen bei Spielen sollten sich deshalb auch daran orientieren, ob sie einen offenen Chat haben oder nicht. Das sei das Gefahrenpotenzial, was darin stecke.

Strafverfolgung verbessern

Jeder Darstellung von Kindesmissbrauch im Netz gehe ein Kindesmissbrauch voraus, erklärt Kassautzki.Wir fordern deshalb schnelleres und verbindliches Löschen nach abgeschlossener Beweisaufnahme“, betont sie. Ein weiterer Schwerpunkt der Strafverfolgungsbehörden solle die gezielte und aktive Suche nach Abbildungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder mittels Online-Streifen sein. Um in der Ermittlung besser zu werden, soll es aber auch einen Kompetenzaufbau zum verantwortungsvollen Umgang mit Technologie geben. „Wir wollen insgesamt die Forschung im Bereich der Cyberkriminologie, der Entwicklung von Präventionskonzepten und zur digitalen Polizeiarbeit stärken und einen besseren Praxistransfer gewährleisten“, heißt es dazu im Papier. Entscheidungsträger*innen bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten müssten ebenfalls für den Themenbereich sensibilisiert werden. Auch die Notwendigkeit von einfachen und niederschwelligen Anzeige-Möglichkeiten für Bürger*innen auf Online-Portalen der Polizeien solle thematisiert werden.

Zum Ende der Vorstellung betont Baldy, dass Schutzkonzepte immer mit Kindern und Jugendlichen gemeinsam erstellt werden sollten. „Denn sie wissen am besten, wie Strukturen aussehen, in denen sie sich jemanden anvertrauen können.“ Das Papier wurde gemeinsam mit Expert*innen aus den Bereichen Strafverfolgung, Cybergrooming, IT-Sicherheit und Kinderschutz erarbeitet, ergänzt Wegge. „Wir werden uns nun daran machen, unsere Forderungen in aktuelle Gesetzesvorhaben einzubringen und mit unseren Kolleg*innen aus den Ländern dazu sprechen!“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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