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Wie die SPD das neue Integrationsgesetz geprägt hat

Für den Integrationsbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion, Josip Juratovic, ist das neue Integrationsgesetz ein Grund zur Freude. Die Kritik aus der AG Migration und Vielfalt teilt er nicht, Sanktionen bei Integrationsverweigerung und Wohnsitzauflagen sind für ihn positiv.
von Lars Haferkamp · 14. April 2016
Integration durch Schule und Beruf: Darauf setzt das neue Integrationsgesetz
Integration durch Schule und Beruf: Darauf setzt das neue Integrationsgesetz

Herr Juratovic, seit vielen Jahren fordert die SPD ein Integrationsgesetz. Nun hat die Union ihre Blockade aufgegeben und Eckpunkten für ein Gesetz zugestimmt. Ein Grund zur Freude?

Eindeutig ja! Wir mussten uns in den vergangenen Monaten auf Asylpakete konzentrieren, die die Zahl der Geflüchteten und ihre Unterbringung regelten. Jetzt ist es endlich an der Zeit, dass wir uns mit einem mindestens genauso wichtigen Baustein befassen: Wie werden Geflüchtete, die bei uns bleiben dürfen, zu einem Teil unserer Gesellschaft? Da setzt das aktuelle Eckpunktepapier den richtigen Rahmen.

Welche Punkte waren der SPD besonders wichtig?

Im Integrationsgesetz sind auf Drängen der SPD hin zahlreiche Punkte festgehalten, die zu einer schnelleren und sichereren Eingliederung in den Arbeitsmarkt führen. Ich greife jetzt nur einige heraus: Wir haben endlich Aufenthaltssicherheit geschaffen, während der Ausbildung sowie im Anschluss zur Arbeitssuche. So können sich sowohl Auszubildende als auch Unternehmen für die Dauer der Ausbildung aufeinander einlassen. Wir haben endlich die Abschaffung der Vorrangprüfung für Asylsuchende festgehalten. Sie war nur eines von vielen Hindernissen bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Und nicht zuletzt: Wir haben sage und schreibe 100.000 Arbeitsgelegenheiten, sogenannte Ein-Euro-Jobs, für Geflüchtete festgeschrieben. Dies ermöglicht den Geflüchteten zum einen die entscheidende Erfahrung, am deutschen Arbeitsamerkt teilzuhaben, und wird zum anderen psychologisch entscheidend sein für ihre Motivation während des Asylverfahrens. Das Integrationsgesetz trägt die eindeutige Handschrift der Sozialdemokratie und wird Chancen für Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten schaffen. Davon bin ich überzeugt.

Kritik an der Wohnsitzauflage für Asylbewerber und an der Sanktionsdrohung bei abgelehnten Integrationsmaßnahmen kommt von der AG Migration und Vielfalt in der SPD. Zurecht?

Ich selbst bin stellvertretender Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt und bin daher in stetigem Austausch mit den Genossinnen und Genossen im Vorstand. Wir tauschen uns regelmäßig aus, sind aber auch manchmal unterschiedlicher Meinung. Zu den angesprochenen Inhalten: Die Sanktionsdrohungen sind aus meiner Sicht folgerichtig. Wir stehen zu dem Grundsatz, dass wir Menschen nicht nur fördern, sondern auch fordern wollen. Schließlich liegt ein entscheidender Teil der Verantwortung bei den Menschen selbst. Bezüglich einer zeitlich befristeten Wohnsitzauflage bin ich ebenfalls anderer Meinung als die AG Migration und Vielfalt. Einmal ist es eine klare Forderung zahlreicherer sozialdemokratischer Kommunen gewesen, dass wir durch die Wohnsitzauflage Planungssicherheit organisieren müssen. Aber auch mit Blick auf die Neueinwanderer ist die Wohnsitzauflage als etwas Positives zu sehen: Eine ländliche Kommune, in der man sich zuerst sehr fremd fühlt, kann zum Glücksfall werden und die Integration geradezu beschleunigen. Das sage ich als jemand, der mit 15 Jahren nach Deutschland eingewandert ist und die Integration vor allem durch die Vereinsarbeit in den Kleinstädten erlebt hat. Es war das Beste, was mir passieren konnte!

Wie lange wird es dauern, bis es für jeden Migranten eine Maßnahme zur Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt gibt?

Das ist eine sehr allgemeine Frage, auf die ich so keine Antwort geben kann. Entscheidend wird sein, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln. Wenn es zu keinem neuen Anstieg der Zahlen kommen sollte, bin ich zuversichtlich, dass das aktuelle Paket den richtigen Rahmen für Integration der Einwanderer und Einwandererinnen setzt.

Die Unterrichtseinheiten in der Wertevermittlung sollen deutlich erhöht werden, von 60 auf 100. Wo liegen die Schwierigkeiten bei der Wertevermittlung?

Es ist entscheidend, dass sich Einwanderer möglichst früh und mit ausreichend Zeit mit unseren Werten und Regeln in Deutschland auseinandersetzen. Da reicht es nicht, ihnen eine Broschüre in die Hand zu drücken. Gleichberechtigung der Geschlechter sowie unterschiedliche sexuelle Orientierungen, Religionsfreiheit aber auch Kinderrechte gehören zu den Grundpfeilern unserer Gesellschaft. Es ist zwar nachvollziehbar, dass Einwanderer und Einwandererinnen Zeit brauchen, um unsere Regeln zu verinnerlichen. Es muss aber von erstem Tag an klar sein, dass an dem Grundgesetz nicht gerüttelt wird, egal wer zu uns kommt.

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Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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