Inland

Wie die Demokratie aus der Krise kommt

Es ist nicht gut bestellt um die Demokratie. Von den Menschen wird sie immer weniger geschätzt, von Populisten attackiert. Was getan werden muss, damit die Demokratie aus der Krise kommt, darüber diskutierte SPD-Vize Ralf Stegner am Samstag auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Politikwissenschaftler Christian Lammert.
von Kai Doering · 14. Oktober 2017
„Die linke Volkspartei SPD muss sich der rechten Volkspartei CDU klar gegenüberstellen.“ Ralf Stegner diskutierte mit dem Politkwissenschaftler Christian Lammert über die Krise der Demokratie.
„Die linke Volkspartei SPD muss sich der rechten Volkspartei CDU klar gegenüberstellen.“ Ralf Stegner diskutierte mit dem Politkwissenschaftler Christian Lammert über die Krise der Demokratie.

Wann die Krise der Demokratie angefangen hat, kann Christian Lammert recht genau sagen. Als Kommunismus und Sozialismus in Europa Anfang der 90er Jahre zusammenbrachen, sei das kapitalistische Wirtschaftsmodell alternativlos geworden, erklärt der Politikwissenschaftler am Samstag am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse. Das wirtschaftliche Wachstum sei in den Jahren danach zunehmend ungleich verteilt worden. Die Politik habe darauf bis heute keine Antworten gefunden. Die Folge: Die Menschen fühlten sich entkoppelt von der politischen Elite.

Eine starke Opposition stärkt die Demokratie

„Viele Menschen haben den Eindruck ‚Die da oben haben mit meinem Leben nichts zu tun’“, stimmt ihm Ralf Stegner zu. Damit würden sie anfällig für die Parolen von Populisten. „Der Kern der AfD-Wählerschaft besteht nicht aus Rassisten oder Nazis“, ist der stellvertretende SPD-Vorsitzende überzeugt. Deshalb müsse man auch unterschiedlich mit der AfD auf der einen und ihren Wählern auf der anderen Seite umgehen. „Gerade als Sozialdemokraten sind wir in der Pflicht, die Bagaluten wieder aus dem Parlament zu vertreiben.“

Hilfreich dabei könnte sein, dass die SPD in der neuen Legislatur in der Opposition sein wird. „Die große Koalition hat der Eindruck der Alternativlosigkeit verstärkt. Die Opposition wurde kaum wahrgenommen“, sagt Christian Lammert. „Die linke Volkspartei SPD muss sich der rechten Volkspartei CDU klar gegenüberstellen“, fordert Ralf Stegner. Das sei ein wesentlicher Punkt für den erfolgreichen Kampf gegen Rechtspopulisten.

Die Politik als Erfüllungsgehilfe der Märkte

Ebenso wichtig sei, als Partei die Fragen anzusprechen, die die Menschen wirklich bewegen. Für Stegner ist das etwa die globale Gerechtigkeit. „Das neoliberale Virus ist zu stark in die Gesellschaft eingedrungen“, kritisiert der SPD-Vizevorsitzende – und fügt selbstkritisch hinzu: „Die Ausführung der Hartz-Reformen war falsch.“ Auch wenn ein Unternehmen zwar Gewinne mache, aber keine Steuern bezahle, sei das eine Gefahr für die Demokratie.

„Die Politik ist zunehmend zum Erfüllungsgehilfen der Märkte geworden“, kritisiert auch Christian Lammert. „Die SPD habe zwar umgesteuert und in der großen Koalition „unheimlich viel durchgesetzt“,  doch ob Mindestlohn oder Rente mit 63: „Die Gesellschaft hat nur wenig davon mitbekommen.“ Deshalb müssten sich die Menschen auch fragen, wie politisch sie eigentlich noch seien. Gerade die Jugend sei nur wenig an Politik interessiert, meint Lammert. Sie suche sich lieber andere Räume, um aktiv zu werden. Die vermehrten Parteieintritte nach Brexit, Trump- und Bundestagswahl wertet der Politikwissenschaftler daher ein hoffnungsvolles Zeichen.

Europa muss lernen, zu teilen

Entscheidend sei aber, den Wohlstand endlich gerechter zu verteilen. „Die Entwicklung ist sonst irgendwann nicht mehr ertragbar für die Demokratie“, warnt Lammert. Auch das „Projekt Europa“ rein wirtschaftlich zu sehen, sei ein Fehler. Die „soziale Dimension“ müsse dringend gestärkt werden. Ralf Stegner formuliert es noch etwas drastischer: „Wenn Europa nicht lernt zu teilen“, sagt er, „werden wir sowohl Wohlstand als auch Frieden verlieren“.

Boris Vormann, Christian Lammert: Die Krise der Demokratie und wie wir sie überwinden, Aufbau 2017, ISBN 978-3-351-03697-3, 18 Euro

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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