Wie die Bundesregierung Geflüchete schneller in Arbeit bringen will
IMAGO/Sven Simon
Asylbewerber*innen und Ausländer*innen mit einer Duldung sollen künftig schneller eine Arbeit aufnehmen können. Entsprechende Gesetzesänderungen hat die Bundesregierung am Mittwoch auf den Weg gebracht. Was sich ändert und welche Ziele die Ampel damit verfolgt – wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was gilt bisher für Asylbewerber*innen und Geduldete?
Innerhalb der ersten drei Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland dürfen Geflüchtete bisher grundsätzlich keiner Arbeit nachgehen. Danach dürfen sie arbeiten, sofern sie nicht verpflichtet sind, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu leben. In diesem Fall dürfen sie frühestens nach neun Monaten eine Arbeit aufnehmen. Geduldete, also Menschen, die eigentlich kein Recht haben, in Deutschland zu sein, aber aus humanitären Gründen nicht ausreisen können, dürfen unter denselben Bedingungen arbeiten, sofern sie vor dem 31. August 2018 nach Deutschland gekommen sind. Ihre Arbeitserlaubnis liegt aber immer im Ermessen der Behörden. Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten – das sind zurzeit Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, das Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, der Senegal und Serbien – ist die Aufnahme einer Arbeit grundsätzlich verboten.
Was soll sich ändern?
Die Bundesregierung will, dass Geflüchtete schneller und verlässlicher eine Arbeit aufnehmen können. Asylbewerber*innen, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben, sollen deshalb künftig bereits nach sechs Monate eine Arbeit aufnehmen können. Für Geduldete wird die Frist verlängert: Sind sie bis zum 31. August 2022 nach Deutschland gekommen, sollen sie im Regelfall die Erlaubnis erhalten, eine Arbeit aufzunehmen. Menschen aus sicheren Herkunftsländern und Geflüchtete, deren Identität nicht geklärt ist, sollen auch weiterhin von der Arbeitsaufnahme ausgeschlossen bleiben.
Welche Arbeit dürfen Geflüchtete annehmen?
Da gibt es im Prinzip keine Grenzen. Es gilt: Geflüchtete dürfen nicht zu schlechteren Bedingungen beschäftigt werden als Arbeitnehmer*innen aus Deutschland bzw. der Europäischen Union. Die sogenannte Vorrangprüfung, nach der die Bundesagentur für Arbeit vor der Arbeitsaufnahme eines Geflüchteten prüft, ob für die Stelle ein*e EU-Bürger*in infrage kommt, entfällt bereits seit August 2019.
Was verspricht sich die Bundesregierung von den Erleichterungen?
Ziel der Bundesregierung ist eine bessere und schnellere Integration Geflüchteter über den Arbeitsmarkt. Auch setzt die Ampel darauf, dass die Kommunen bei den Sozialleistungen entlastet werden, wenn mehr Geflüchtete selbst für ihren Unterhalt sorgen. Das soll auch für eine höhere Akzeptanz Geflüchteter in der Gesellschaft sorgen. Und schließlich hofft die Bundesregierung, dass ein Teil der unbesetzten Stellen im Land – in diesem Jahr sind es rund 770.000 – von Geflüchteten gefüllt werden kann.
Wie sind die Reaktionen?
Gemischt. „Viele Menschen, die zu uns kommen, wollen arbeiten, bekommen aber keine Erlaubnis dafür“, weiß die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt. „Deshalb ist es ein richtiges Zeichen, dass das Bundeskabinett heute Vereinfachungen für die Arbeitserlaubnis für Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen mit einer Bleibeperspektive beschlossen hat.“ Aus Sicht von „Pro Asyl“ gehen die Vorhaben dafür jedoch nicht weit genug. „Kleine vermeintliche Verbesserungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt reichen nicht“, erklärte der flüchtlingspolitische Sprecher der Organisation, Tareq Alaows. Nötig sei, „dass alle Arbeitsverbote vollständig abgeschafft werden“.
Wie geht es jetzt weiter?
Am kommenden Montag werden die Ministerpräsident*innen der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz über die Geflüchteten-Situation beraten. Auf dem Plan steht dann auch eine mögliche Arbeitspflicht für Geflüchtete: Manche Länder wollen, dass Kommunen sie zu gemeinnütziger Arbeit heranziehen können. Noch im November will der Bundestag über das Migrationspaket der Bundesregierung abstimmen. Neben den Vorhaben zur Arbeitserleichterung geht es darin auch um Gesetzesänderungen, die eine schnellere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber*innen möglich machen sollen.
Wie die Kommunen von den neuen Regelungen entlastet werden sollen, lesen Sie hier.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.