Inland

Wie „Black Studies“ für Rassismus im Alltag sensibilisiert

Der Mehrheitsgesellschaft fehlt es an Sensibilität für Kolonialgeschichte und deren Aufarbeitung. Ein Studiengang „Black Studies“ könnte das ändern, meinen Initiativen wie „Berlin Postkolonial“ aber auch die Berliner Jusos.
von Laura Strübbe · 18. März 2020

Trotz Corona – Ein Spaziergang im Sonnenschein kann wohl noch gewagt werden, doch prägt die Angst vor Ansteckung das Stadtbild: Für Berliner Verhältnisse wirken die Straßen ungewöhnlich leer. Auf der Friedrichstraße, einer der bekanntesten Einkaufsstraßen Berlins, herrscht noch mäßiges Treiben. Fällt jedoch der Blick in die kreuzende Mohrenstraße, ist hier kein Mensch mehr zu sehen. Ein Bild, das in Zeiten der geringen außereuropäischen Berichterstattung über Corona die Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte nicht besser beschreiben könnte – es geht, mit den Worten der Jusos, um Verdrängung.

Eine stilgeschwiegene Pflicht

„Berlin war in der Zeit des deutschen Kolonialismus der Ort, von dem aus die meisten Verbrechen organisiert und koordiniert wurden.“ Darüber sind sich Lorena Jonas und Sarah Marino einig. Beide kandidieren für den Landesvorsitz sowie den Landesvorstand der Berlin Jusos. Deutschland entziehe sich bis heute der Verantwortung an europäischen Kolonialverbrechen, kritisieren sie. Ende August 2019 berichtet der Deutschlandfunk: Das Umbenennen der Mohrenstraße, auf der auch das Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität ihren Sitz hat, ist vorerst nicht in Sicht. „Mohr“ ist eine abwertende Bezeichnung für Personen dunkler Hautfarbe.

Für Christian Kopp, Vorstandsmitglied bei Berlin Postkolonial – einem Verein, der sich um die Offenlegung kolonialrassistischer Denk- und Verhaltensmuster bemüht – ist der Straßenname eng mit der Geschichte der Unfreiheit und Versklavung von Menschen afrikanischer Herkunft verbunden. Doch was braucht es nun, um der Verdrängung jener Geschichte von Ausbeutung und Massenmord, wie sie sich auch fehlenden Statement der Humboldt-Universität zur Debatte der Straßennamen zeigt, endlich Einhalt zu gebieten? Black Studies als Studiengang – wie die Jusos es in einem älteren Antrag zur nun verschobenen Landesdelegiertenkonferenz fordern.

Ein antirassistisches Konzept in der Hochschulpolitik

Die deutsche und explizit Berlins Hochschulpolitik brauche endlich ein klares antirassistisches Konzept und Ziele, lautet Marinos Forderungen. „Black Studies als Studiengang kann dazu beitragen, die nötige Aufmerksamkeit im wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs um unsere Koloniale Verantwortung, voranzubringen.“ Je offener die Strukturen an den hiesigen Hochschulen seien, desto mehr Raum würde für Menschen und Diskurse geschaffen werden, die momentan gesellschaftlich marginalisiert sein.

Gegenüber der „taz“ berichtete eine Studentin von ihren Erfahrungen in Großbrittannien: Ohne Black Studies wäre sie nie zur Uni gegangen. Im September 2017 lief in England das erste Semester jenes Studiengangs an, der laut Kehinde Andrews, Professorin an der Birmingham City University, Teil des Bestrebens gewesen sei, das Bildungswesen zu entkolonialisieren und vernachlässigtes Wissen an die Hochschulen Europas zu bringen. Im Gegensatz zu Studiengängen wie Afrikanistik und Karibistik stünde bei den Black Studies nicht im Zentrum, Schwarze als koloniale Objekte zu studieren.

Wessen Geschichte?

Für die Jusos sind Black Studies mehr als der Studiengang Asien- und Afrikawissenschaften, der derzeit an der Humboldt-Universität angeboten wird. „Denn es geht um die Frage nach Schwarzer Geschichte, Kultur und Diskriminierungserfahrungen und weiterhin darum, praxisnah soziale Bewegungen zu erforschen, die Schwarze Menschen empowern." Zwischen Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte und Bemächtigung an Schwarzem Wissen ist es Sarah Marino und Lorena Jonas wichtig, durch Repräsentanz Marginalisierung zu verhindern.

Im Februar 2015 löste sich nach harscher Kritik die Forschungsgruppe „Black Knowledges“ auf – auch die Jusos verurteilen jene Bewegung an der Bremer Universität, die von rein weißen Forscher*innen gestaltet und besetzt worden war. „Erzählt wird immer aus einer Perspektive heraus!“ So würden rassistisches Narrative weiter gefestigt. Das Potential des neuen Studiengangs liege darin, gesellschaftliche Dynamiken der Privilegierung von Weißen sichtbar zu machen und Schwarze Persönlichkeiten stärker am öffentlichen Diskurs teilhaben zu lassen, so Marino und Jonas. Im Namen der Jusos sprechen sie sich für die Einrichtung, Ausstattung und langfristige Finanzierung von Black Studies an Berliner Universitäten aus.

Autor*in
Laura Strübbe

studiert Deutsche Literatur und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist Praktikantin beim vorwärts.

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