Inland

Wie aus „Passivbürgern“ aktive Demokraten werden sollen

Was können Parteien tun, um die Bürger wieder für die Demokratie zu begeistern? Darüber diskutierten Thomas Oppermann und Norbert Lammert.
von Robert Kiesel · 18. Februar 2016
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Bürger fühlen sich politisch nicht mehr vertreten, die Wahlbeteiligung sinkt, die Demokratie insgesamt verliert an Zustimmung. Was populistischen Kräften in die Hände spielt, bereitet etablierten Parteien große Sorgen. Im „Zukunftsgespräch“ der SPD-Bundestagsfraktion diskutierten SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zum Thema „Volk ohne Wähler – Gefahr für die Demokratie“.

Oppermann sorgt sich um Wertschätzung der Demokratie

Schonungsloser in der Analyse zeigte sich der Vertreter der SPD: „Die Wertschätzung der Demokratie steht in Frage, wenn die Wahlbeteiligung ständig sinkt“, erklärte Oppermann. Lammert dagegen nannte den schleichenden Rückgang der Werte angesichts konstanter Werte deutlich über 70 Prozent von einer „Normalisierung der Wahlbeteiligung“. Man könne die Qualität einer Demokratie nicht ausschließlich an der Höhe der Wahlbeteiligung messen, fügte Oppermann an, räumte aber ein: „Ich sehe es mit Sorge, dass die Wahlbeteiligung kontinuierlich sinkt.“ Wenn Wahlen nicht mehr als Möglichkeit wahrgenommen würden, Dinge politisch zu verändern, so Oppermann weiter, sei das bedenklich.

„Wir müssen aus Passivbürgern wieder Aktivbürger machen“, lautete sie Forderung, die Oppermann auf die Frage nach der Trendumkehr erhob. Angelehnt an die US-amerikanische Strategie des Empowerments müssten demokratische Prozesse erlebbar gemacht werden, Menschen ermächtigt, Erfolgserlebnisse vermittelt werden. Gleichzeitig müsste der Bereich der politischen Bildung wieder gestärkt werden. „Bürger sollten sich ihrer Mindestrechte und Mindestpflichten bewusst sein“, so Oppermann.

Wahlen ab 16 auch auf Bundesebene

Konkret wurde es bei der Frage, ob die Herabsetzung des Wahlalters oder die Einführung eines Ausländerwahlrechts der Demokratie neuen Schub verleihen könnte. Dazu Oppermann: „Ich halte es für richtig, dass wird früher mit dem Wählen anfangen. Wir sollten 16-Jährigen die Chance geben, an Wahlen teilzunehmen, auf Landes- und Bundesebene.“ Außerdem sprach er sich dafür aus, ein Kommunalwahlrecht für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer einzuführen. Lammert kritisierte beide Vorschläge für die aus seiner Sicht willkürliche Festlegung der Kriterien.

Überhaupt wies Lammert darauf hin, dass es bei der Frage danach, wie dem Ansehensverlust der Demokratie und ihrer Akteure begegnet werden kann, keine einfachen Antworten gebe. Einem komplexen Problem müsse mit komplexen Lösungen begegnet werden, erklärte der 67-Jährige. Dem Vorschlag der Einführung einer Wahlpflicht, wie in einigen Ländern fest etabliert, lehnten beide Politiker rundherum ab.

13. März als Stimmungsbarometer

Wie es um die Wahl- und Demokratiemüdigkeit in Deutschland tatsächlich bestellt ist, werden die Landtagswahlen am 13. März zeigen. Dann sind die Wähler in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zur Stimmabgabe aufgerufen. Bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2011 lag die Beteiligung in den drei Ländern zwischen 51 Prozent im Osten und 66 Prozent im Süd-Westen.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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