Inland

Wie Asylrecht und Einwanderungsgesetz miteinander vermischt werden

Vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen wird auch über ein Einwanderungsgesetz diskutiert. Was haben beide miteinander zu tun? Eigentlich nichts – und doch sehr viel.
von Kai Doering · 29. Juli 2015
Aufenthaltserlaubnis
Aufenthaltserlaubnis

Eigentlich ist alles ganz klar geregelt. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, steht in Artikel 16a des Grundgesetzes. Das bedeutet:  Ob ein Mensch in Deutschland Asyl erhält, darf nicht davon abhängen, woher er kommt, welche Ausbildung er hat oder über welche Sprachkenntnisse er verfügt. „Das Asylrecht ist ein Individualrecht“, fasst es der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel zusammen.

Doch ganz so klar wie die vier Worte aus dem Grundgesetz scheinen, ist die Situation in der Praxis doch nicht. Denn während ein Flüchtling aus dem bürgerkriegsgebeutelten Syrien recht gute Chancen auf zeitweiliges Asyl in Deutschland hat, trifft das auf einen Flüchtling aus dem armen Kosovo nicht zu. Und doch können sich beide Zimmer an Zimmer in derselben Flüchtlingsunterkunft wiederfinden.

Wenn sich Asylbewerber und Wirtschaftsflüchtlinge mischen

„Wir haben eine Gruppe, deren Asylantrag mit 99-prozentiger Sicherheit abgelehnt werden wird, und eine andere Gruppe, die zu 99 Prozent Asyl bekommt“, sagt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. „Aber wenn beide Gruppen zwei Jahre auf ihren Bescheid warten müssen, läuft etwas grundsätzlich falsch im System.“

Und das ist der Knackpunkt: Während der Syrer unter das Asylrecht fällt, gilt für den Kosovaren – im besten Fall – einer der gut 50 Aufenthaltstitel, also eine der legalen Möglichkeiten für Nicht-EU-Bürger, in Deutschland zu bleiben. Beide Bereiche haben zunächst nichts miteinander zu tun, werden aber in der öffentlichen Diskussion mehr und mehr miteinander vermischt.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer etwa hat angeregt, gesonderte Aufnahmezentren für Balkanflüchtlinge einzurichten und die Menschen grenznah in Zelten statt in festen Unterkünften unterzubringen. So soll ein „straffes Verfahren“ gewährleistet werden, „um Asylbewerber, die nicht bleiben können, schnell zurückzuführen“.

Was bedeutet der „Kurswechsel“ bei der Kanzlerin?

Klar ist: Die Menschen aus dem früheren Jugoslawien sind keine Kriegsflüchtlinge, sondern kommen vor allem deshalb nach Deutschland und in andere westeuropäische Länder, weil sie sich hier ein besseres Leben erhoffen. Und klar ist auch: Viele von ihnen kann Deutschland gut brauchen. „Ich will deshalb ein Einwanderungsgesetz, bei dem alle Einwanderer schnell Klarheit haben, ob sie bleiben können oder nicht“, sagt Thomas Oppermann.

Der Fraktionschef der SPD im Bundestag wirbt schon seit langem für ein Zuwanderungsgesetz „nach kanadischem Vorbild“, um Einwanderung auch von außerhalb der EU gezielt zu fördern. Es laufe etwas „grundfalsch in Deutschland, wenn wir einerseits mehr Nachwuchs brauchen und andererseits junge, gut integrierte Flüchtlinge von der Abschiebung bedroht sind“, meint Oppermann.

CDU und CSU haben ein solches Einwanderungsgesetz bisher strikt abgelehnt. Vor allem für die Partei aus Bayern ist es Teufelswerk. Ende vergangener Woche berichtete der „Spiegel“, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem „Kurswechsel“ bereit sei: Im September soll der CDU-Parteivorstand die Grundzüge eines Einwanderungsgesetzes beschließen und diese Ende des Jahres einem Bundesparteitag vorlegen. Allerdings ist fraglich, wie weitreichend dieses Gesetz sein soll. Die Rede ist bisher lediglich von einer Zusammenfassung der mehr als 50 geltenden Aufenthaltstitel, die in verschiedenen Gesetzes und Verordnungen geregelt sind.

Die Frage der sicheren Herkunftsstaaten

„Eine bloße Zusammenfassung bestehender Maßnahmen ist nicht mehr als ein Trippelschritt und reicht nicht“, kritisiert daher auch SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. Er fordert ein „Einwanderungsgesetz mit klaren Zuwanderungsregeln, das einfach und verständlich ist“ und „eine echte Perspektive für die Westbalkan-Staaten“ biete.

Sollten sich CDU und vor allem CSU zu mehr als zu einem Trippelschritt durchringen, stellt Schäfer-Gümbel ihnen eine Zustimmung der SPD zur Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten in Aussicht. Menschen aus diesen Ländern haben kein Recht, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen und könnten schnell in ihre Heimat abgeschoben werden. Neben den Staaten der EU gehören dazu Bosnien und Herzegowina, Ghana, Mazedonien, der Senegal und Serbien. CDU und CSU wollen auch das Kosovo, Albanien und Montenegro einbeziehen.

„Was hier gegeneinander aufgerechnet wird, ist die weitere Erosion des Asylrechts gegen ein fiktives Gesetz, was bei diesem Koalitionspartner maximal in einer Zusammenfassung bisheriger Gesetze enden wird“, kritisiert der Vorsitzende der Arbeitgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt. Einen „Kuhhandel“ zwischen Asylrecht und „anderen Gesetzesvorhaben wie einem Einwanderungsgesetz“ lehne die AG ab. Die Diskussion wird also wohl weitergehen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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