Inland

Werbung für Europa: Mit dem Bulli quer durch Deutschland

Steffen Haake ist Stadtratsmitglied im ostfriesischen Aurich. Für die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) war der 25-Jährige drei Wochen lang von Greifswald bis Passau unterwegs, um für Europa zu werben. Dort traf er unter anderem auf einen AfD-Abgeordneten im Blaumann und die Tochter von Franz Josef Strauß.
von Jonas Jordan · 21. Mai 2019
Sozialdemokrat Steffen Haake war drei Wochen lang mit seinem Bulli unterwegs, um für Europa zu werben.
Sozialdemokrat Steffen Haake war drei Wochen lang mit seinem Bulli unterwegs, um für Europa zu werben.

Unter dem Motto #GrenzenlosEuropäisch sind Sie drei Wochen lang mit einem Camping-Bus von Greifswald bis Passau unterwegs gewesen. Was war die Idee dahinter?

Die Idee ist angelehnt an eine ähnliche Tour, die der europäische JEF-Verband gemacht hat. Der Gedanke dahinter ist, mit den Leuten niedrigschwellig in Kontakt zu treten und mit ihnen über Europa zu reden. Wir wollten informieren, aber auch zuhören. Uns ging es nicht um Wahlkampf, sondern wir wollten offen mit den Leuten ins Gespräch kommen. Damit wollten wir die Wahlbeteiligung steigern, proeuropäische Kräfte stärken und die Ziele der JEF und „Europa machen“-Kampagne vermitteln. Deswegen haben wir die Tour mit Veranstaltungen und Podiumsgesprächen verbunden.

Wie kam die Route von Greifswald nach Passau zustande?

Die ist durch den Gedanken #GrenzenlosEuropäisch zustande gekommen. Der Fokus lag auf Grenzregionen im Osten Deutschlands. In einigen der Orte, in denen wir waren, war die Beteiligung bei der vergangenen Europawahl besonders niedrig, die Zustimmung für Rechtspopulisten und antieuropäische Kräfte hingegen in jüngster Zeit sehr hoch. Ein bisschen war es ein Easy Rider Roadtrip auf der B96, die vom Nordosten Deutschlands bis nach Zittau in der Oberlausitz führt. Das ist quasi die Route 66 des Ostens.

Mit welchem Ziel sind Sie persönlich in diese Tour gestartet?

Ich wollte einfach etwas für das europäische Projekt tun. Mal abseits von Parteidiskussionen, sondern in einem anderen Format, in dem man sich etwas freier für Europa einsetzen kann, um die Wahlbeteiligung hochzutreiben. Unabhängig von Parteien ist die EU für mich ein extrem wichtiges Projekt, über das ich außerhalb meiner persönlichen Filterblase ins Gespräch kommen wollte. 

Gab es eine Begegnung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ich hatte viele positive Erlebnisse in Eberswalde. Dort lief ein junger Mann mit Emblemen der Rechtsrockband Frei.Wild über den Marktplatz. Erst war ich zurückhaltend, weil ich mal einen Rechtsstreit mit Frei.Wild aufgrund eines kritischen Beitrags zur Band am Hals hatte. Als ich ihn dann aber ansprach, entpuppte er sich als eher unpolitisch. Er wollte eigentlich nicht wählen gehen, ich konnte ihn aber zum Nachdenken anregen. Er versprach, sich zu informieren und den Wahl-O-Mat auszuprobieren.

Während Ihrer Tour waren Sie auch in Polen, Tschechien und Österreich. Wie waren dort die Erfahrungen?

Wir sind in Frankfurt und Schwedt (Oder) über die Grenze nach Polen gefahren. Dort war es direkt sehr anders. Teile Deutschlands sind zwar strukturschwach, aber überwiegend deutlich stärker aufgestellt als Grenzregionen Polens. Da sind die Straßen und Häuser gleich sanierungsbedürftiger. In einem Ort haben wir versucht, mit Leuten zu reden und unsere Materialien zu verteilen, aber das war nicht möglich, weil die Leute kein Wort Deutsch oder Englisch sprachen. Das fand ich als Teil der deutsch-niederländischen ostfriesischen Minderheit bemerkenswert. Etwas anders war es im Dreiländereck bei Zittau, wo Sachsen, Tschechien und Polen aneinandergrenzen. Da haben wir am 1. Mai das Demokratiefest besucht. Das THW hatte eine provisorische Brücke gebaut. So konnten die Menschen gemeinsam die Oder-Neiße-Linie überqueren. Da wurde Europa richtig gelebt. Das war für uns eine schöne Gelegenheit, für unsere Anliegen zu werben.

Wie waren dort die Meinungen zu Europa?

Zittau/Görlitz ist die Gegend, in der die AfD bei der vergangenen Bundestagswahl mit mehr als 30 Prozent ihre besten Ergebnisse erzielte. Viele Häuser dort sind Ruinen. Das habe ich sonst in Deutschland noch nicht gesehen. Dementsprechend hoch liegt das Frustrationspotenzial. Peripherie scheint dort nicht nur ein Gefühl zu sein, sondern sich in der B96 zu manifestieren, die schlagartig endet. Was grenzüberschreitende Infrastruktur angeht, besteht dort noch Nachholbedarf. Da war es ein schöner Gegensatz, dass wir auf dem Fest sehr viele Menschen trafen, die proeuropäisch eingestellt sind. Die Polen und Tschechen haben an diesem Tag zudem das 15. Jubiläum ihrer EU-Mitgliedschaft gefeiert. Sie wirkten proeuropäischer als die Deutschen.

Hatten Sie während Ihrer Reise auch unangenehme Erfahrungen?

In Cottbus kamen ständig alte weiße Männer von der AfD an unseren Stand und haben ihre Parolen losgelassen. Ein Vorfall war besonders bemerkenswert. Ein Passant im Blaumann hat meine Kollegin Stefanie Hock, die mit mir zusammen drei Wochen lang im Bus unterwegs war, lange zugetextet, rhetorisch nicht ungeschickt argumentiert. Später haben wir erfahren, dass das Harald Laatsch war, ein Berliner AfD-Abgeordneter, der dort rumgelaufen ist, um unseren Stand zu sabotieren und zu fotografieren. Ich fand das schon dubios. Wieso ist jemand aus dem Berliner Abgeordnetenhaus tagsüber trollend im Blaumann in Cottbus unterwegs?

In der Rückschau: Hatten Sie das Gefühl, Sie konnten die Menschen für Europa motivieren?

Ja, auf jeden Fall. Das war eines der Formate, bei denen viele kleine Leute an vielen Orten kleine Schritte machen. Aber wenn sie das gemeinsam tun, können sie vielleicht doch etwas Großes bewegen. Pro Tag haben wir mit etwa 50 Leuten gesprochen. Dazu kamen Veranstaltungen wie die von der fränkischen Landjugend, bei der wir mit der CSU-Europaabgeordneten und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier sowie einem jungen Eurooawahlkandidaten der Grünen diskutiert haben. Diese Gespräche der Gegensätze haben Aufmerksamkeit für die Europawahl erzeugt. Viele Leute, die europaskeptisch waren, konnten wir zum Nachdenken bewegen. Es war eine sinnvolle Sache, weil wir nicht nur gelabert, sondern was getan haben.

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Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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