Inland

Wer zahlt für die Krise?

von Susanne Dohrn · 27. März 2010
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"Geld zurück, Herr Nonnenmacher!". Das forderte die Hamburgerin Kirsten Brodde in einer Filiale der HSH Nordbank. 24 Euro wollte sie ­- als Barauszahlung - von Bankchef Dirk Jens Nonnenmacher. Der hatte gerade einen Millionenbonus kassiert. Dieser stehe den Bürgern zu. Schließlich sei die Bank vor einem Jahr mit Steuerzahler-Milliarden vor dem Untergang gerettet worden. Geld, das nun im Stadtsäckel fehle, z.B. für den öffentlichen Nahverkehr. Der wurde fünf Cent teurer. Bei zwei Fahrten pro Tag aufs Jahr gerechnet mache das eben jene 24 Euro.

Mit dieser Aktion lenkte die Hamburgerin den Blick zurück auf die Frage: Wer zahlt für die Krise? Denn soviel ist klar: Während Spekulanten schon wieder Kasse machen, spielen die Kosten der Krise schon fast keine Rolle mehr.

Wer sind die Hauptverlierer?

Weniger arbeiten, weniger Geld, aber einen Job: Für die eine Million Menschen, die im vergangenen Jahr kurzarbeiten mussten, sieht die Lage vergleichsweise gut aus - noch. Anders die Situation der aktuell 3,6 Millionen Arbeitslosen: Ihnen stehen gerade mal eine halbe Million offene Stellen gegenüber. Schlechte Aussichten also. Denn je länger jemand arbeitslos ist, desto größer sind die finanziellen Einbußen und desto mühsamer ist die Rückkehr in den Beruf, selbst wenn die Wirtschaft wieder wächst.

Was kosten Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit?

Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit haben 2009 zu einem Rekorddefizit bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) geführt. Ende 2009 fehlten ihr 13,8 Milliarden Euro Einnahmen. Allein für die 1,1 Millionen Kurzarbeiter zahlte sie 4,7 Milliarden. 2009 konnte sie ihr Defizit noch aus ihren Rücklagen ausgleichen. 2010 muss der Staat ran: mit einer Finanzspritze von 12,8 Milliarden.

Wie teuer ist der Banken-Rettungsschirm?

Sein Volumen ist gigantisch: 480 Milliarden. 150 Milliarden mehr als der Bundeshaushalt für 2010. 400 Milliarden stehen für Bürgschaften bereit, damit die Banken Kredite aufnehmen können. Davon sind etwa 120 Milliarden ausgeschöpft. Mit weiteren 25 Milliarden hat sich der Bund an Geldhäusern beteiligt: Ihm gehören 25 Prozent der Commerzbank und die Hypo Real Estate (HRE). Was das den Steuerzahler am Ende kosten wird, steht in den Sternen.

Zwar lässt sich der Staat seine Leistungen, z.B. die Bereitstellung von Garantien, bezahlen. Auch Beteiligungen, wie die an der Commerzbank, lässt er sich vergüten, mit 9,2 Prozent Zinsen - sofern die Bank Gewinn macht. Das war 2009 allerdings nicht der Fall. Aber der Staat muss sich das bereitgestellte Geld leihen ­- für derzeit im Schnitt knapp drei Prozent Zinsen. Sollten die Bürgschaften allerdings fällig werden, muss der Bund zahlen.

Wie hoch sind die Staatsschulden?

Bei gut 1 700 Milliarden steht die Schuldenuhr derzeit für Bund, Länder und Gemeinden. Das entspricht 20 000 Euro pro Kopf. Allein 2009 kamen 79 Milliarden hinzu. Im Bundeshaushalt plant die schwarz-gelbe Koalition in diesem Jahr 80,2 Milliarden zusätzliche Schulden.

Handelt die Bundesregierung?

Angesichts von Schulden und Griechenland-Krise bricht in der Bundesregierung Aktionismus aus. So schlägt die Koalitionsspitze nun eine Bankenabgabe vor. Klingt gut, ist es aber nicht. Denn in Wirklichkeit handelt es sich um eine "Mogelpackung", so der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Joachim Poß. "Mit der Abgabe wird ein Instrument geschaffen, das den Banken Fehlverhalten erleichtert, weil sie sich zu einem relativ geringen Preis künftiger Risiken entledigen können." An den derzeitigen Kosten der Krise würden die Banken damit nicht beteiligt.

Skeptisch sieht Poß auch die internationale Finanzmarktkonferenz, zu der Finanzminister Wolfgang Schäuble Ende Mai nach Berlin einladen will. Poß vermutet, dass Schäuble vor allem die NRW-Landtagswahl im Blick hat. Die Konferenz werde "ein weiterer unverbindlicher Gedanken- und Meinungsaustausch". Derweil laufe "die Zeit zur Regulierung und nötigen Umstrukturierung der Finanzmärkte davon".

Auf den Plan tritt auch Angela Merkel. Sie will mit Griechenland und Frankreich die EU-Kommission auffordern, riskante Finanzgeschäfte einzuschränken. Allerdings hat es solche Ankündigungen schon häufiger gegeben. Passiert ist danach wenig.

Welche Probleme muss die Regierung lösen?

Diejenigen müssen die Lasten der Krise tragen, die maßgeblich für sie verantwortlich sind - was Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück vor gut einem Jahr in einem gemeinsamen Papier gefordert haben, steht nach wie vor aus. Desgleichen fehlen eine bessere, auch grenzüberschreitende, Bankenaufsicht, eine wirksame Begrenzung von Boni und Sonderzahlungen sowie ein Frühwarnsystem, das es ermöglicht einzugreifen, bevor es zu einer Schieflage kommt.

"Die Bundesregierung verschenkt wertvolle Zeit", so Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, "sie weiß nicht, was sie will und jede kleine Idee wird zwischen Christunionisten und Liberalen zerrissen. Deshalb flüchtet sie sich auf die lange Bank wie einen neuen Europäischen Währungsfonds."

Die Forderungen der SPD hingegen seien klar: Sonderabgabe für den Finanzsektor, um die Kosten der Krise zu tragen, schärfere Aufsicht in Europa und Verbot von Zockereien wie Leerverkäufen, eine internationale Finanztransaktionssteuer und eine bessere Aufstellung der Banken. "Das heißt: Nicht Rettung jeder Bank um jeden Preis. Und wenn die FDP wegen ihrer Klientel und Spender nicht mitmachen kann, machen wir das eben mit der CDU und Frau Merkel, wenn sie dafür den Mut aufbringt."

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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