Wenn geheime Wahl, dann mit Stift und Zettel
Die Digitalisierung wird alle Bereiche unseres Lebens verändern. Das Medien- und Kommunikationsverhalten ist bereits zum größten Teil digitalisiert, Arbeit und Wirtschaft befinden sich mitten im Prozess und viele Lebensbereiche werden folgen. Eines wird jedoch - entgegen anderslautendender Bestrebungen - noch in zehn Jahren komplett analog sein: die geheime Wahl, beispielsweise zum Land- oder Bundestag. Und das ist auch gut so.
Einsatz von Wahlcomputern ausgeschlossen
„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt“, so heißt es in Artikel 38 des Grundgesetzes. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren wurden elektro-mechanische Wahlgeräte erprobt und teilweise eingesetzt. Bei den Wahlen zum europäischen Parlament 1999 und der Bundestagswahl 2005 wurden sogar Wahlcomputer eingesetzt, mit denen 2005 schätzungsweise zwei bis 2,5 Millionen Menschen ihre Stimme abgeben konnten. Vor gut zehn Jahren wurde Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, das 2009 urteilte und die Bundeswahlgeräteverordnung als verfassungswidrig erklärte. Kurz gesagt: Der Einsatz von Wahlcomputern ist vorerst für Bundestagswahlen ausgeschlossen.
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass alle wesentliche Schritte eines Wahlvorgangs öffentlich überprüfbar sein müssen. Da aber ein Wahlcomputer eine Art „Black-Box“ sei – entweder, weil dessen Quellcode nicht bekannt oder auch manipulierbar ist – sei diese Überprüfbarkeit nicht gegeben. Hinzu kommt, dass wesentliche Schritte der Wahlhandlung durch die Bürger nicht zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können.
Ergebnisse lassen sich nicht überprüfen
Auch Online-Wahlen können die Leitsätze des Bundesverfassungsgericht nicht entkräften. Im Gegenteil: Sie erhöhen das Risiko weiter, da auch der Übertragungsweg – trotz vermeintlich sicherer Zertifikate – kompromittiert sein könnte.
Die SPD machte bereits schmerzliche Erfahrungen beim Einsatz von Wahlgeräten: So verweigerten diese Computer, die wie eine TV-Fernbedienung aussahen und per Funk kommunizierten, beim Bundesparteitag 2015 ihren Dienst. Ob es sich dabei um ein technisches Versagen oder einen gezielten Angriff handelte, bleibt unklar. Am Ende musste mit Stift und Zettel gewählt werden. Ob bei vorherigen parteiinternen Wahlgängen – die Wahlcomputer kamen auch 2011 und 2013 zum Einsatz – die Ergebnisse den tatsächlich abgegebenen Stimmen entsprachen, ist im nachhinein nicht mehr eindeutig zu überprüfen. Es bedarf hier viel Vertrauen in den Hersteller und setzt die Annahme voraus, dass keine technischen Manipulationen an dem Gerät oder der Funkübertragung vorliegen.
Offene Online-Abstimmungen sind zu fördern
Viele Informatiker und Vereine wie der Chaos Computer Club warnen ausdrücklich vor dem Einsatz von computerisierten (geheimen) Wahlen. Der Zusatz „geheim“ ist jedoch elementar: Natürlich soll der demokratische Diskurs auch im Internet stattfinden und öffentliche Abstimmungen per Mausklick möglich sein. Wenn auf einer Abstimmungsseite nachzulesen ist, wer für und wer gegen etwas gestimmt hat, kann jede und jeder nachprüfen, ob seine Wahlabsicht korrekt eingerechnet wurde.
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Für geheime Wahlen bedarf es aber weiterhin Stift und Papier. Damit jede Bürgerin und jeder Bürger notfalls nachzählen können. Das mag zwar nicht so sexy sein wie eine eine stylische Website mit einem Button. Und auch die Auszählung mag etwas länger dauern. Aber das nimmt man für das Vertrauen in die Demokratie gerne in Kauf, oder?
Einen Gastbeitrag pro Onlinewahlen lesen Sie hier
Björn Bernat
ist selbständiger Softwareentwickler und lebt in Berlin. Er ist u. a. Vorstandsmitglied des Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V.