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Welche Strafen den AfD-Abgeordneten und ihren „Gästen“ blühen

Vor der Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz hatten „Gäste“ der AfD andere Bundestagsabgeordnete bedrängt und beschimpft. Politisch wurde das bereits scharf kritisiert – doch was droht den Störer*innen und den AfD-Abgeordneten, die sie einluden, rechtlich?
von Christian Rath · 20. November 2020
Im Reichstagsgebäude gibt es eine Hausordnung – die gilt auch für Gäste, die auf Einladung der Abgeordneten in das Gebäude dürfen.
Im Reichstagsgebäude gibt es eine Hausordnung – die gilt auch für Gäste, die auf Einladung der Abgeordneten in das Gebäude dürfen.

Am Mittwoch bedrängten mehrere Personen, die auf Einladung der AfD den Bundestag besuchen konnten, Abgeordnete und Mitarbeiter*innen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bat daher die Verwaltung, alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, gegen die Störer*innen und diejenigen vorzugehen, die ihnen Zugang verschafft haben.

Konkret ging es wohl um fünf Personen, die als rechte Blogger*innen bekannt sind oder zur Szene der Corona-Leugner*innen gehören: Rebecca Sommer, Thorsten Schulte, Daniela S., Elijah Tabere und Angelika Barbe. Sie waren von den AfD-Abgeordneten Udo Hemmelgarn, Petr Bystron und Hansjörg Müller eingeladen und angemeldet worden.

Die Personen konnten sich frei im Haus bewegen und wurden nicht von den AfD-Abgeordneten begleitet. Dies nutzten die Aktivist*innen um Abgeordnete und Mitarbeiter*innen zu „interviewen“, mit Petitionen und Flugblättern zu bedrängen und sie zu beschimpfen. Einige der Störer*innen filmten die Vorgänge und streamten dies teilweise live. Sie drangen in Büros ein, unter anderem um von oben die Demonstration der Corona-Leugner*innen vor den Gebäuden aufzunehmen.

Von den Übergriffen waren insbesondere die Abgeordneten Konstantin Kuhle (FDP), Stefan Müller (CSU), Tobias Lindner und Anton Hofreiter (beide Grüne) sowie Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) betroffen. Auch in die Büros der AfD-Abgeordneten Alice Weidel und Bernd Baumann drangen die Störer ein.

Verstoß gegen die Hausordnung des Bundestags

Die Unruhestifter*innen haben dabei zumindest die Hausordnung des Bundestags verletzt. Nach deren Paragraf 4 sind in den Gebäuden des Parlaments "Ruhe und Ordnung zu wahren" und alle Störungen zu unterlassen.

Allerdings erlaubt die Hausordnung private Filmaufnahmen (Paragraph 6). Diese dürfen auch auf privaten Internetseiten und sozialen Medien verbreitet werden. Der Bundestag will offensichtlich volksnah sein. Verboten ist nur die kommerzielle Nutzung solcher Aufnahmen und die Veröffentlichung in einem Umfeld, das "rechtswidrige, gewaltverherrlichende, pornografische, rassistische oder antisemitische Inhalte aufweist". Letzteres wird noch geprüft.

Hausverweis, Hausverbot, Bußgeld

Wer gegen die Hausordnung verstößt, kann aus dem Gebäude verwiesen werden (Paragraph 7). Dies ist am Mittwoch durch die Beamten der Bundestagspolizei erfolgt. Außerdem kann ein Hausverbot verhängt werden. Dies wird ebenfalls noch geprüft.

Wer gegen die Hausordnung eines Parlaments verstößt und dabei die Ordnung stört, kann auch mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro belegt werden. Dies sieht Paragraph 112 des Ordnungswidrigkeitengesetzes vor.

Sogar Freiheitsstrafe möglich – theoretisch

Sogar strafrechtliche Sanktionen kommen in Betracht. Die „Nötigung von Mitgliedern eines Verfassungsorgans“ wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren bestraft (Paragraph 106 Strafgesetzbuch). Erforderlich wäre dann aber, dass ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete mit Gewalt oder der „Drohung mit einem empfindlichen Übel“ gezwungen wird, seine Befugnisse nicht oder nicht in einer bestimmten Art auszuüben. Schon der Versuch ist strafbar. Wenn die Aktivist*innen also ernsthaft versuchten, Abgeordnete an der Zustimmung zum Infektionsschutzgesetz zu hindern, wäre dies als Straftat zu werten.

Als zweites Delikt kommt die Störung der Tätigkeit eines Gesetzgebungsorgans" in Betracht (Paragraph 106 Strafgesetzbuch). Hier müsste die Arbeit des Bundestags gehindert oder gestört werden. Ob hier die Schwelle erreicht wird, scheint zweifelhaft. Hier ist auch der Versuch nicht strafbar.

Relevant ist schließlich der Tatbestand der Beleidigung (Paragraph 185 Strafgesetzbuch). Als Wirtschaftsminister Altmaier im Fahrstuhl verschwand, sagte eine Störerin auf der Video-Aufnahme vernehmlich „Arschloch“ in seine Richtung. Für die Strafbarkeit genügt, dass dies jemand anderes hörte, der die Szene gefilmt hat. Allerdings wird eine Beleidigung nur auf Strafantrag des oder der Betroffenen verfolgt und Altmaier hat bereits erklärt, dass er keinen entsprechenden Antrag stellen wird.

Was den AfD-Abgeordneten blühen könnte

Möglicherweise müssen auch die beteiligten AfD-Abgeordneten mit Sanktionen rechnen. Falls die Störer*innen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen haben, könnten die Abgeordneten wegen Beihilfe hierzu belangt werden. Erforderlich wäre dazu aber ein doppelter Vorsatz: Die Parlamentarier müssten erstens die Tat der Störer*innen und zweitens ihre eigene Förderung gewollt haben. Allerdings genügt bereits bedingter Vorsatz, also ein rücksichtloses Hinnehmen der Folgen im Sinne eines „na, wenn schon“. Ob den AfDlern derartiges nachgewiesen werden kann, wird sich zeigen. Bisher bestreiten sie, dass sie die Aktivist*innen „eingeschleust“ hätten, um Unruhe zu erzeugen.

Auch die Geschäftsordnung des Bundestags gibt für solche Fälle wenig her. Die Regeln über Ordnungsrufe, Ordnungsgelder und den Ausschluss von Sitzungen (Paragraphen 36 bis 38) beziehen sich vor allem auf das Verhalten in Sitzungen. Ob damit auch Vorgänge außerhalb des Plenums geahndet werden können ist unklar. Am ehesten passt noch das Ordnungsgeld für die „Verletzung der Ordnung und der Würde des Bundestags“. Bundestagspräsident Schäuble kann es in Höhe von bis zu 1000 Euro verhängen.

Ob es darüber hinaus noch spezielle Vorschriften für den Umgang der Abgeordneten mit Besucher*innen gibt, wollte der Bundestag nicht mitteilen. Zu laufenden Verfahren gebe man keine Auskunft, heiß es auf Anfrage. Vor allem der Abgeordnete Marco Buschmann (FDP) forderte den Bundestag auf, die rechtlichen Instrumente zu erweitern - wenn sie bisher nicht ausweichen, die Vorfälle angemessen zu ahnden und zu bestrafen.

 

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