Weil: Rot-Grüner Koalitionsvertrag in Niedersachsen schafft Sicherheit
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Das muss SPD und Grünen erstmal einer nachmachen: In Rekordzeit haben sich beide Parteien in Niedersachsen auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt. In nur fünf Tagen habe man das erreicht, betont Ministerpräsident Stephan Weil in Hannover bei der Vorstellung des Vertrages. Er trägt den Titel „Sicher in Zeiten des Wandels – Niedersachsen zukunftsfest und solidarisch gestalten“ und beschreibt damit die wesentlichen Grundsätze der künftigen rot-grünen Regierungsarbeit, so Weil.
Stephan Weil lobt „wirklich gute Gespräche“
Er spricht von den schnellsten und „den angenehmsten Koalitionsverhandlungen“, die er jemals geführt habe. Es habe „wirklich gute Gespräche“ zwischen den Parteien gegeben. Die Stimmung sei dabei stets „ausgesprochen freundlich“ und „konstruktiv“ gewesen. Für Weil liefert Rot-Grün mit dem Vertrag „ein überzeugendes Programm, ein gutes Team und ein starkes Fundament“ für die künftige Regierungsarbeit.
Damit es hiermit in der nächsten Woche losgehen kann, müssen am Samstag, dem 5. November, zunächst der SPD-Landesparteitag dem Koalitionsvertrag zustimmen und dann am Sonntag, dem 6. November, der Landesparteitag der Grünen. Am Dienstag, den 8. November, soll sich dann der neue Landtag in Hannover konstituieren und Stephan Weil – zum dritten Mal in Folge – zum Ministerpräsidenten wählen.
SPD übernimmt sechs Ressorts, Grüne vier
In der künftigen Landesregierung soll die SPD sechs Fachministerium übernehmen. Es sind die Ressorts für Inneres, Wirtschaft und Bauen, Soziales und Gesundheit, Justiz, Wissenschaft und Kultur sowie Bundes- und Europaangelegenheiten. Die Grünen sollen vier Ministerien besetzen und zwar die Ressorts für Finanzen, Kultur, Umwelt und Landwirtschaft.
Inhaltlich betont Stephan Weil als eine der wichtigsten Aufgaben der künftigen Landesregierung die Bekämpfung der akuten Krisen, etwa bei den Energiepreisen. Er kündigt für Niedersachsen ein Sofortprogramm noch im November an, mit dem Hilfen bei unmittelbarer Existenznot gezahlt werden. Dies solle die Zeit überbrücken, bis die Hilfen des Bundes fließen.
Klimaschutz und starke Wirtschaft
Seine Regierung werde sich nicht auf Maßnahmen gegen die aktuellen Krisen beschränken, betont Weil, sie werde auch die Weichen für eine gute Zukunft stellen. Dazu gehöre der Klimaschutz mit dem gleichzeitigen „festen Anspruch, dass Niedersachsen ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Land bleibt“. Der Ministerpräsident nennt es „sehr erfreulich“, dass sowohl SPD als auch Grüne hier denselben Blick auf diese Herausforderung hätten.
Seine neue Regierung werde eine „Politik der ausgestreckten Hand“ betreiben, verspricht Weil. Man wolle mit allen Akteur*innen – wo immer das möglich sein – gemeinsam Lösungen finden und umsetzen. Es solle nach Möglichkeit keine einseitigen Vorgaben aus Hannover geben. Als Beispiel dafür nennt er die Landwirtschaft, die sich in einer schwierigen Situation befinde und die somit nicht nur Veränderungen sondern auch Hilfe brauche. Der ländliche Raum habe im Flächenland Niedersachsen, dem zweitgrößten der Bundesrepublik, eine besondere Bedeutung, unterstreicht der Regierungschef.
Weil kündigt „Überraschung“ an
Als „Überraschung“ kündigt Weil einen Schwerpunkt der künftigen Landesregierung an: „Vereinfachungen“. Konkret soll es dabei unter anderem um Entbürokratisierungen gehen. Etwa im Verhältnis des Landes zu den Kommunen, die sich mit Recht immer wieder über die bürokratischen Schwierigkeiten bei der Beantragung von Fördermitteln beklagt hätten. Auch in der Pflege wolle man wegkommen von der „Inflation von Dokumentations-Pflichten“, damit die Pflegekräfte wieder mehr Zeit für die tatsächliche Pflege bekämen.
In der Bildungspolitik kündigt der Ministerpräsident an, dass in Niedersachsen alle Lehrer*innen beim Berufseinstieg „gleich bezahlt werden“, unabhängig von der Schulform an der sie unterrichten. Hierin habe es große Einigkeit zwischen SPD und Grünen gegeben.
Grant Hendrik Tonne: neuer SPD-Fraktionschef
Bei Investitionen wolle sich das Land „noch mehr anstrengen als in der Vergangenheit“, hier gebe es große Bedarfe, etwa im Wohnungsbau oder bei der Gebäudesanierung. Niedersachsen wolle hier die bestehenden Möglichkeiten der Schuldenbremse in vollem Umfang nutzen. In der Finanzpolitik des Landes, die künftig von einem grünen Minister verantwortet werden soll, gelte weiterhin Vernunft. Das setze den Wünschen klare Grenzen, betont Weil.
Dann erwartet die Journalist*innen in Hannover eine weitere Überraschung: Der Sozialdemokrat Grant Hendrik Tonne gibt auf der Pressekonferenz seinen Rücktritt als Kultusminister bekannt. Und warum er dabei so gut gelaunt ist, verrät er gleich hinterher. Denn die SPD-Fraktion hat ihn soeben zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt – einstimmig. Und noch mehr gute Nachrichten hat Tonne: Der Landesvorstand der niedersächsischen SPD habe dem Koalitionsvertrag und den SPD-Minister*innen ebenfalls einstimmig zugestimmt. Wenn in den nächsten Tagen weiterhin alles so glatt läuft, dann steht am Dienstag die neue Landesregierung unter dem wiedergewählten Ministerpräsidenten Stephan Weil.