Inland

Wegen Corona: „Wir brauchen jetzt einen Schutzschirm für Auszubildende.“

Wegen der Coronakrise bangen viele Auszubildende um ihren Berufsabschluss. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert deshalb für sie einen Schutzschirm. Yasmin Fahimi sagt, was er leisten soll – und übt scharfe Kritik an Wirtschaftsminister Altmaier.
von Kai Doering · 19. Mai 2020
Welchen Einfluss hat die Corona-Krise auf die Auszubildenden in den Betrieben? Die SPD will sie mit einem Schutzschirm absichern.
Welchen Einfluss hat die Corona-Krise auf die Auszubildenden in den Betrieben? Die SPD will sie mit einem Schutzschirm absichern.

Mehr als 700.000 Betriebe sind wegen Corona zurzeit in Kurzarbeit. Was bedeutet das für die dortigen Auszubildenden?

Die Situation für die Auszubildenden ist regional sehr unterschiedlich. Konkrete Zahlen liegen uns leider noch nicht vor. Aber man kann sich ja gut vorstellen, dass Betriebe mit einem hohen Anteil von Kurzarbeit auch Schwierigkeiten haben, die Ausbildung aufrecht zu erhalten.

Durch das Berufsbildungsgesetz sind die Auszubildenden zumindest sechs Wochen finanziell geschützt und erhalten während dieser Zeit ihre volle Ausbildungsvergütung. Sie werden deshalb aber auch nicht erfasst wie Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beantragen. Hinweise der Industrie- und Handelskammern und Gewerkschaften deuten jedoch darauf hin, dass in vielen Betrieben zurzeit die Ausbildung nur sehr eingeschränkt oder gar nicht stattfindet.

Außerdem ist nicht klar, wann und unter welchen Bedingungen in diesem Sommer Abschlussprüfungen stattfinden können. Die IHKn zeigen sich zwar flexibel, aber in vielen Fällen könnten die Ausbildungsverträge auslaufen, noch bevor die Auszubildenden ihren Abschluss gemacht haben. Hier brauchen wir dringend eine rechtsverbindliche Lösung.

Wie könnte die aussehen?

Wir müssen es schaffen, dass es einen Gleichlauf von Ausbildungsvertragslänge und Prüfungsabschluss gibt. Da sind aus meiner Sicht vor allem die Betriebe gefragt, ihre Auszubildenden nicht hängen zu lassen. Genauso wichtig ist aber, dass die Auszubildenden auch während einer möglichen Kurzarbeit im Stoff bleiben. Das ist in erster Linie eine Aufgabe der Berufsschulen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es aber jetzt auch ein Modell, bei dem besonders in von Kurzarbeit betroffenen Betrieben auch außerbetriebliche Unterrichtung projektgefördert werden. Das ist der richtige Ansatz, den ich mir auch bundesweit sehr gut vorstellen könnte.

Und was passiert mit Azubis, deren auszubildender Betrieb in der Krise Insolvenz anmelden muss?

Für solche Fälle schlagen wir als SPD-Bundestagsfraktion eine Übernahmeprämie aus einem zu schaffenden Sonderfonds vor. Erhalten sollen sie Betriebe, die Auszubildenden von schwer Corona betroffenen Betriebenen zumindest zeitweise übernehmen. Außerdem müssen wir Betriebe, die zumindest noch in Teilen laufen, weiter entlasten. Außerbetriebliche Unterweisungen sollten vom Staat gefördert werden. Und wir sollten den überbetrieblichen Ausbildungsstätten des Handwerks mit einem Sonderprogramm unter die Arme greifen. All das hilft ausbildenden Betrieben, die durch Corona in eine Schieflage geraten sind, und sichert Ausbildungsplätze auch für die Zukunft. Wir brauchen jetzt einen Schutzschirm zum Erhalt von Ausbildungsplätzen und zur Unterstützung von Auszubildenden.

Für Studierende, die sich ihr Leben nicht mehr finanzieren könne, gibt es mittlerweile ein Hilfssystem aus Krediten und Zuschüssen zu den Notfonds der Studierendenwerke. Ist so etwas auch für Auszubildende notwendig?

Lernen und Arbeiten eines Auszubildenden und eines Studierenden ist nicht vergleichbar, zumal Auszubildende ja bereits produktive Arbeit leisten und dafür eine Vergütung erhalten. Die finanziellen Probleme sind aber natürlich ähnlich. Deshalb plädiere ich dafür, dass der Zeitraum, in dem die Ausbildungsvergütung weiter zu hundert Prozent gezahlt wird, von sechs auf zwölf Wochen verlängert wird, etwa in Form einer Projektförderung oder eines Sonderfonds.

Jetzt im Frühjahr suchen normalerweise viele Betriebe ihre Lehrlinge für das neue Ausbildungsjahr. Sehen Sie die Gefahr, dass sie wegen der unsicheren Aussichten ihre Bemühungen beschränken oder gar nicht erst suchen?

Die Verunsicherung der Betriebe ist groß, weil ja auch niemand sagen kann, wie sich die Situation weiterentwickelt. Viele warten deshalb erstmal ab, ehe sie aktiv neue Auszubildende suchen oder gar einstellen. Es bleiben zwar Ausbildungsplätze bei der Bundesagentur für Arbeit ausgeschrieben. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie auch besetzt werden. Die Zahlen sind da durchaus alarmierend. Die BA verzeichnet von Anfang des Jahres bis jetzt einen Rückgang an abgeschlossenen Ausbildungsverträgen von acht Prozent im Vergleich zu Vorjahr. In einigen Regionen liegt die Zahl sogar bei bis zu 15 Prozent. Das macht deutlich, dass die Politik ein Signal setzen muss, dass sie ausbildende Betriebe in dieser schwierigen Situation besonders unterstützt.

Wie soll das aussehen?

Die SPD-Bundestagsfraktion will einen Zukunftsfonds zur Fachkräftesicherung auflegen. Neben dem Staat sollen dort auch die Sozialpartner einzahlen. Aus diesem Fonds soll ein Ausbildungsbonus finanziert werden für Betriebe, die jetzt zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen. Für das erste Lehrjahr könnte aus dem Fonds die Ausbildungsvergütung finanziert.

In einigen strukturschwachen Regionen, in denen das Angebot an Ausbildungsplätzen deutlich geringer ist als die Bewerberlage, könnte allerdings selbst das nicht reichen. Hier müssen außerbetriebliche Ausbildungsstätten ausgebaut werden – nicht als Dauerlösung, sondern als konkrete Antwort auf die akute Situation in der Coronakrise. Unser Ziel muss es bleiben, dass möglichst alle Schulabgänger einen Ausbildungsplatz bekommen. Es geht schließlich um die nachhaltige Fachkräftesicherung unseres Landes.

Auch die DGB-Jugend fordert von der Bundesregierung einen massiven Ausbau außerbetrieblicher, staatlich geförderter Ausbildungsplätze für die kommenden zwei Ausbildungsjahre. Ist das sinnvoll?

In der aktuellen Situation auf jeden Fall – besonders in strukturschwachen Regionen wie großen Teilen Ostdeutschlands oder dem Ruhrgebiet. Dauerhaft kann außerbetriebliche Ausbildung allerdings keine Alternative sein. Die duale Ausbildung ist eine Erfolgsgeschichte. Und die besten Ausbildungsplätze sind immer noch die im Betrieb. Je mehr duale Ausbildungsplätze jetzt wegfallen, desto schwieriger wird es, sie nach der Krise wieder einzurichten. Deshalb lohnt es sich, um jeden einzelnen Platz zu kämpfen.

Wie bei vielen Maßnahmen in der Coronakrise drängt auch hier die Zeit. Wann müsste der Schutzschirm aufgespannt sein, um für das neue Ausbildungsjahr wirken zu können?

Am besten heute als morgen! Doch leider sind die zuständigen Ministerien – namentlich Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Bildungsministerin Anja Karliczek – bisher überhaupt nicht aktiv geworden. Schon Anfang April habe ich Peter Altmaier in einem Brief dazu aufgefordert, zu einem Spitzentreffen der Allianz für Aus- und Weiterbildung einzuladen. Dieses soll nun endlich am 26. Mai stattfinden, also fast zwei Monate später. Ich kann nicht verstehen, wie man in einer derart angespannten Situation, in der für Betriebe und Auszubildende jeder Tag zählt, einfach abwartet und nichts tut. Das ist verantwortungslos gegenüber einer ganzen Generation junger Schulabgänger und skandalös für unser Land. Denn aus diesem Nichthandeln kann nicht zuletzt ein immenser Schaden für unsere Volkswirtschaft entstehen.

node:vw-infobox

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare