Inland

Wege aus der Corona-Krise: Warum der Staat jetzt investieren muss

Die Bundesregierung hat richtig reagiert, um den ersten Schock der Pandemie abzufangen. Aber um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, braucht es ein Konjunkturprogramm.
von Sebastian Dullien · 11. Mai 2020
Um gut aus der Krise zu kommen, muss Deutschland ein sinnvolles Konjunkturprogramm auf den Weg bringen, sagt Sebastian Dullien.
Um gut aus der Krise zu kommen, muss Deutschland ein sinnvolles Konjunkturprogramm auf den Weg bringen, sagt Sebastian Dullien.

Wirtschaftlich ist die Corona--Krise eine Krise der Rekorde: Noch nie in der Nachkriegsgeschichte ist die Weltwirtschaft von einem derart heftigen Schock getroffen worden. Noch nie war die Produktion in so vielen Ländern gleichzeitig gestört. Und noch nie hatte Deutschland so viele Menschen in Kurzarbeit, wie es für die kommenden Wochen und Monate erwartet wird.

Allerdings gibt es auch positive Rekorde in der Krise: So schnell wie diesmal hat die Politik in Deutschland noch nie auf eine Wirtschaftskrise reagiert. Seit Mitte März wurden in Windeseile Hilfspakete im Umfang von mehreren Hundert Milliarden Euro designt und umgesetzt. Im Galopp wurde ein Nachtragshaushalt auf Bundesebene im Umfang von 156 Milliarden Euro verabschiedet. Dabei wurden unter anderem der Zugang zu Kurzarbeitergeld vereinfacht, die Sozialabgaben für Kurzarbeiter*innen übernommen, Steuerzahlungen gestundet, Kreditprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ausgeweitet, Soforthilfen für Unternehmer*innen und Selbstständige aus dem Boden gestampft, der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht und ein milliardenschwerer Wirtschaftsstabilisierungsfonds etabliert, der sich auch an kriselnden Unternehmen beteiligen kann.

Die Bundesregierung und insbesondere auch die beiden sozialdemokratisch geführten Ministerien für Finanzen sowie für Arbeit und Soziales haben hier schnell, zielgerichtet, effizient und richtig reagiert. Zwar werden die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona--Schocks auch trotz der Hilfspakte enorm bleiben. Allerdings dürften die Maßnahmen der Regierung ganz entscheidend dazu beigetragen haben, dass noch Schlimmeres verhindert werden konnte.

Arbeit ist nicht zu Ende

Trotz der gewaltigen Summen dürfte allerdings mit diesen ersten Hilfspaketen die wirtschaftspolitische Rettungsarbeit noch nicht abgeschlossen sein. In diesem ersten Schritt ging es darum, die Liquidität von Unternehmen und die Einkommen von Privathaushalten zu stabilisieren. So werden hoffentlich Pleitewellen begrenzt und massiver Stellenabbau verhindert.

In den kommenden Monaten müssen nun aber weitere Schritte folgen. Es wird darum gehen, bei den Unternehmen auch die Erwartung zu schaffen, dass sich die Umsätze bald wieder erholen und zum Vorkrisenniveau zurückkehren. Nur, wenn die Betriebe an eine solche Zukunft glauben, macht es für sie Sinn, ihre Beschäftigten zu halten.

Das wird nicht einfach sein. In der Krise haben viele Menschen Einkommen verloren. Für Deutschland ist absehbar, dass in den kommenden Monaten zeitweise bis zu acht Millionen Menschen in Kurzarbeit arbeiten – oftmals mit bis zu 40 Prozent weniger Nettogehalt. Wenn diese Menschen den Kauf etwa eines Autos geplant haben, ist kaum zu erwarten, dass sie ihre Pläne jetzt immer noch so umsetzen wie ursprünglich vorgenommen. Das Gleiche gilt für Menschen in anderen Ländern. Unternehmen weltweit haben derweil Verluste gemacht und Liquidität und Eigenkapital verloren. Damit dürften auch Investitionspläne aufgeschoben oder gar gestrichen werden. Weniger Investitionen bedeuten weniger Bestellungen bei den Maschinenbauern.

Die Zweifel zerstreuen

All das dürfte Zweifel in den deutschen Betrieben säen, dass eine schnelle Rückkehr zu Absatzbedingungen aus Vorkrisenzeiten wahrscheinlich ist. Will man aber die deutsche Wirtschaft nachhaltig stabilisieren, müssen diese Zweifel zerstreut werden.

Ein nächster notwendiger Schritt der Krisenbekämpfung wird deshalb ein Konjunkturprogramm sein. Hier wird der Staat jene Nachfragelücke füllen müssen, die nun bei Privathaushalten, Unternehmen und im Ausland aufreißt. Zum Glück gibt es in Deutschland genug Sinnvolles für ein solches Konjunkturpaket zu tun: Wir stehen vor enormen Herausforderungen bei der Infrastruktur, der Digitalisierung, der Bildung, dem Ausbau des ÖPNV und der Transformation unserer Industrien.

All diese Punkte müssen ohnehin angegangen werden, um die Zukunft unseres Landes zu sichern. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, die dafür notwendigen öffentlichen Investitionen auf den Weg zu bringen. Projekte, die jetzt ausgeschrieben und vergeben werden, füllen die Auftragsbücher der Unternehmen und helfen damit ganz konkret, dass die deutsche Wirtschaft besser durch die Krise kommt. So könnte man schnell das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden: Zukunftspolitik und Konjunkturstabilisierung.

Autor*in
Sebastian Dullien

ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

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