„Weder rechtlich möglich noch gesellschaftlich akzeptabel“
Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. April 2014 steht fest, dass die anlasslose, flächendeckende Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten keine Zukunft hat. Der Gerichtshof sieht in ihr einen Eingriff in die Grundrechte der gesamten europäischen Bevölkerung und formuliert deshalb hohe Voraussetzungen für eine Speicherung von Metadaten der Telekommunikation. So ist es unzulässig, die Daten aller Bürgerinnen und Bürger und aller genutzten Kommunikationsmittel unabhängig davon zu speichern, in welchem Zusammenhang sie mit einer schweren Straftat stehen.
Schutz von Berufsgeheimnissen sichern
Es gibt auch ein praktisches Argument gegen die pauschale Vorratsdatenspeicherung: Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof haben den Schutz von Berufsgeheimnissen betont. Die europäische Vorratsdatenrichtlinie und ihre – vom Bundesverfassungsgericht kassierte – Umsetzung in das deutsche Recht sahen vor, dass jeder Anruf bei einem Bundestagsabgeordneten, Psychotherapeuten oder Steuerberater wie alle anderen Telekommunikationsverbindungen auf Vorrat registriert werden sollten.
Um das – wie von beiden Gerichten verlangt – künftig zuverlässig auszuschließen, müssten die Telefongesellschaften zentrale Datenbanken mit den Telefonnummern aller Berufsgeheimnisträger führen und pflegen, um eine Speicherung von Daten über die Kontaktaufnahme mit diesen Personen auszuschließen. Das ist weder rechtlich möglich noch gesellschaftlich akzeptabel.
Massive Verschlechterung für Strafverfolgung
Ein weiterer Gesichtspunkt sollte zu denken geben: Die gespeicherten Daten dürfen nur zur Verfolgung schwerer Straftaten verwendet werden. Ursprünglich war die Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene eine Reaktion auf die Terroranschläge in Madrid und London. Der Gesetzgeber müsste die Verwendung dieser Daten für die Verfolgung anderer Straftaten sperren. Das würde zu einer massiven Verschlechterung für die Strafverfolgungsbehörden führen, die bisher die bei den Telefongesellschaften für Abrechnungszwecke gespeicherten Daten für die Verfolgung eines langen Katalogs von Straftaten nutzen dürfen.
Zugleich wird die schiefe Ebene deutlich, die bei jeder neuen Befugnis zum Datensammeln droht: Wenn man einmal einen Datenpool für bestimmte Zwecke angelegt hat, weckt dieser Begehrlichkeiten. Die Begrenzung auf schwere Straftaten wird beim nächsten medial vermittelten Verbrechen porös werden. Immerhin ist schon früh der Vorschlag gemacht worden, die Vorratsdaten könnten auch zur Bekämpfung des „Telefonterrors“ genutzt werden – von einer Bundesjustizministerin mit SPD-Parteibuch.