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Was Sie über die Wahl in Niedersachsen wissen müssen

Am Sonntag wählen die Niedersachsen einen neuen Landtag – drei Monate früher als geplant. Was wollen die Parteien? Wer hat die größten Chancen, den Ministerpräsidenten zu stellen? Welche Koalitionen sind denkbar? Hier lesen Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Wahl.
von Kai Doering · 10. Oktober 2017
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Warum wird am kommenden Sonntag in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt?

Die fünfjährige Wahlperiode (der aktuelle Landtag wurde am 20. Januar 2013 gewählt) ist eigentlich noch nicht zu Ende. Ein Wahltermin stand noch nicht fest, aber bis zum Sommer gingen Politiker wie Wähler davon aus, dass die Wahl zum 18. Niedersächsischen Landtag im Januar 2018 stattfinden würde. Am 4. August erklärte dann die Landtagsabgeordnete Elke Twesten ihren Austritt bei den Grünen und kündigte an, zur CDU zu wechseln. Damit war die hauchdünne Ein-Stimmen-Mehrheit der rot-grünen Landesregierung futsch. Ministerpräsident Stephan Weil kündigte noch am selben Tag eine schnelle Neuwahl an. Drei Tage später einigten sich die Vorsitzenden der im Parlament vertretenen Fraktionen (CDU, SPD, Grüne und FDP) auf den 15. Oktober als Wahltermin. Laut Ministerpräsident Weil sei dies der „frühestmögliche Zeitpunkt, um rechtssichere Wahlen“ durchzuführen. Gegen einen gemeinsamen Termin mit der Bundestagswahl am 24. September hatte es verfassungsrechtliche und organisatorische Bedenken gegeben.

Wer sind die Spitzenkandidaten von SPD und CDU?

Für SPD und CDU treten jeweils bekannte Gesichter an. Stephan Weil (seit 1980 SPD-Mitglied) ist seit Anfang 2013 Ministerpräsident einer rot-grünen Koalition. Aus der Kommunalpolitik (erst war er Stadtkämmerer von Hannover, ab 2006 Oberbürgermeister) gelang ihm damit auf Anhieb der Sprung in die Landespolitik. Er gilt als ruhiger, gradliniger Politiker, manche halten ihn deshalb für dröge. Über Parteigrenzen hinweg wird Weil große Sachkompetenz attestiert. Jüngsten Umfragen zufolge würden sich 49 Prozent der Niedersachsen bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten für Weil aussprechen.

Von solchen Werten kann Herausforderer Bernd Althusmann (in der CDU seit 1990) nur träumen. Gerade einmal 31 Prozent sprechen sich für den Herausforderer von der CDU aus. Den Niedersachsen ist er vor allem aus seiner Zeit als Kultusminister (2010 bis 2013) im Kabinett von David McAllister bekannt. Letzterer warb stark für seinen „Freund“ Althusmann als Spitzenkandidat. In Erinnerung blieb dieser auch wegen der gegen ihn im Juli 2011 erhobenen Plagiatsvorwürfe in seiner Doktorarbeit. Diese bestätigten sich zwar in einer Untersuchung der Universität Potsdam nicht, allerdings kamen die Gutacher zu dem Ergebnis, Althusmanns Arbeit weise „Mängel von erheblichem Gewicht“ auf. Nach der Abwahl von Schwarz-Geld im Januar 2013 ging Bernd Althusmann als Leiter der Auslandsvertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Namibia. Nach seiner Rückkehr leitete er das Büro einer Personalberatung in Hannover.

Wer könnte künftig in Niedersachsen regieren?

Nimmt man die aktuellen Umfragen als Grundlage, könnte die Regierungsbildung sehr schwierig werden. Seit Bekanntgabe des Wahltermins hat die SPD eine furiose Aufholjagd hingelegt. Lag sie in einer Infratest-dimap-Umfrage am 10. August noch bei 32 Prozent (und damit acht Punkte hinter der CDU), konnte sie zuletzt sogar an der Union vorbeiziehen (34,5 zu 33 Prozent bei der „Forschungsgruppe Wahlen“ am 12. Oktober). Da voraussichtlich auch Grüne, FDP, AfD und eventuell sogar die Linke in den Landtag einziehen, kommen rechnerisch neben einer großen Koalition auch ein „Jamaika“-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP infrage oder eine „Ampel“ aus SPD, Grünen und FDP. Letztere haben die Liberalen allerdings bereits ausgeschlossen. Aufgrund der Causa Twesten (es gab Gerüchte, die CDU habe die Abgeordnete mit einem „unmoralischen Angebot“ von den Grünen abgeworben) dürfte eine Zusammenarbeit zwischen CDU und Grünen auch eher schwierig werden. Nicht viel wahrscheinlicher ist eine große Koalition. Das Verhältnis zwischen den beiden Volksparteien gilt in Niedersachsen als belastet. „Eine große Koalition nach der Landtagswahl halte ich deshalb für sehr unwahrscheinlich“, sagte Ministerpräsident Stephan Weil im Interview mit vorwärts.de.

Was wollen SPD und CDU?

„Wir haben was Großes vor“, heißt es im Wahlkampfsong von Bernd Althusmann und der CDU. Im Landtagswahlkampf setzt der frühere Bildungsminister vor allem auf das Thema Bildung, das in Niedersachsen schon häufig wahlentscheidend war. Die großen Kulturkämpfe zwischen CDU (dreigliedriges Schulsystem) und SPD (mehr Gesamtschulen) scheinen vorbei zu sein. „Wir führen keine Debatten mehr über Schulstrukturen. Wir wollen Ruhe an den Schulen“, sagt die CDU. Als Kultusministerin hat Bernd Althusmann mit Mareike Wulf eine Quereinsteigerin vorgeschlagen. Sie ist bisher Geschäftsführerin bei den Unternehmerverbänden Niedersachsen. Althusmann will eine stärkere „Verzahnung von Bildung und Wirtschaft“. Daneben will die CDU mehr Geld in Polizisten, Richter und den Breitbandausbau investieren.

Die SPD setzt dagegen auf „Zukunft und Zusammenhalt“, so das Wahlkampfmotto. Auch im Programm der Sozialdemokraten nimmt Bildung einen zentralen Platz ein. „Wir wollen die gebührenfreie Bildung überall in Niedersachsen durchsetzen, von der Kita bis zur Meisterausbildung. Das Studium wird selbstverständlich kostenfrei bleiben“, verspricht Ministerpräsident Stephan Weil. Auch in ländlichen Regionen soll es schnelles Internet mit einem Gigabit pro Sekunde geben. Die Krankenhäuser im Land sollen saniert und in den kommenden fünf Jahren rund 125.000 Wohnungen neu gebaut werden. Und: In Niedersachsen soll die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs für junge Menschen deutlich günstiger werden. „Ich bin mir sicher, dass dadurch die Attraktivität für das Leben auf dem Land für junge Leute deutlich steigen wird“, sagt Stephan Weil.

Winkt der AfD in Niedersachsen der nächste Wahlerfolg?

In den Umfragen liegen die Rechtspopulisten stabil über der Fünf-Prozent-Hürde. Zuletzt kamen sie auf sieben Prozent. Allerdings war das erst kurz nachdem die Staatsanwaltschaft Lüneburg am Montag die AfD-Landesgeschäftsstelle in Lüneburg und die Privatwohnung des AfD-Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel durchsuchen ließ. Die Behörde ermittelt wegen des Verdachts auf Betrug gegen Hampel. Es geht dabei um Geld, mit dem Hampel Filme für die AfD drehen wollte. Er hatte dafür Kamera-Ausstattung gekauft, allerdings nie Rechnungen vorgelegt. Wie sich die Ermittlungen auf das Wahlergebnis der AfD am Sonntag auswirken werden, ist nicht vorherzusagen. Hampel selbst tritt dort nicht an. Er zog am 24. September über die Landesliste in den Bundestag ein. Er halte es „für machbar, die AfD aus dem Landtag zu halten“, sagte Ministerpräsident Weil gerade in einem Interview.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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