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Was die SPD gegen Lebensmittelverschwendung tun will

Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jedes Jahr im Müll. Mit einem Ideenwettbewerb sagt die SPD der Lebensmittelverschwendung den Kampf an. Für Verbraucherschutzpolitikerin Ursula Schulte ist er „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.
von Kai Doering · 26. April 2019
Zu gut für die Tonne: Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich in Deutschland im Müll. Die SPD will das ändern.
Zu gut für die Tonne: Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich in Deutschland im Müll. Die SPD will das ändern.

Mehr als 80 Kilogramm Lebensmittel werden in Deutschland jährlich pro Kopf weggeworfen. Dazu kommen Lebensmittel, die in der Verarbeitung, im Handel und in der Gastronomie im Müll landen. Woran liegt das?

Es fehlt an Wertschätzung für Lebensmittel. Sie sind überall zu jeder Jahreszeit verfügbar, und das oft zu Preisen, die nicht ihren eigentlichen Kosten entsprechen. Schließlich werden für die Produktion dieser Lebensmittel Wasser, Energie und Rohstoffe verbraucht, landwirtschaftliche Flächen genutzt und Arbeitskraft investiert. Trotzdem scheint Wegwerfen oft billiger als Weiterverwenden. Vom Acker bis zum Teller, auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette gehen Lebensmittel verloren. Sie werden nicht geerntet, nicht verarbeitet, weil sie nicht der Norm entsprechen. Sie werden im Laden wegen kleiner Schönheitsfehler aussortiert oder müssen Platz für neue Ware machen. Sie werden im Privathaushalt entsorgt, weil nicht bedarfsgerecht eingekauft wurde. Sie werden in Kantinen und Restaurants weggeworfen, weil zu große Portionen gekocht wurden. Es gibt viele Gründe, die meisten davon wären mit einer besseren Abstimmung des Angebots auf den Bedarf und mit mehr Wertschätzung für Lebensmittel vermeidbar.

Deutschland hat sich verpflichtet, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren. Wie kann das gelingen?

Im Koalitionsvertrag haben wir eine nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung vereinbart, die die gesamte Wertschöpfungskette einbeziehen soll. Bundesministerin Klöckner hat im Februar ein Strategiepapier dazu vorgelegt. Im Rahmen dieser Strategie werden sektorspezifische Dialogforen eingerichtet, und die Wirtschaft wird als Mitverursacherin einbezogen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber bisher fehlen konkrete Maßnahmen, und alles beruht auf Freiwilligkeit. Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen einen Mix aus großen und kleinen Maßnahmen auf allen Ebenen, etwa eine verbindliche Dokumentation der Lebensmittelverluste entlang der gesamten Kette, und auf dieser Basis verbindliche Zielvorgaben für die Reduktion der Lebensmittelverluste. Zudem muss das Wegwerfen, die Wertvernichtung teurer werden. Lebensmittelverschwendung muss zusammengedacht werden mit Lebensmittelverpackung. Äpfel, Tomaten, Gurken und andere Lebensmittel brauchen keine Plastikverpackung. Kinder sollten den Umgang mit Lebensmitteln und deren Wertschätzung bereits in der Kita lernen, das eröffnet auch den Zugang zu gesunder Ernährung. Und es läuft etwas falsch, wenn z.B. Billigpreise für Gemüse aus Spanien oder Italien vor Ort zu miserablen Produktions- und Arbeitsbedingungen führen. Lebensmittel sollten kosten, was sie wert sind, damit „billig“ am Ende nicht sehr teuer erkauft wird.

Gibt es Vorbilder gibt es in anderen Ländern?

Ja, sehr viele. In Frankreich verpflichtet ein Gesetz die großen Lebensmittelhändler mit einer Verkaufsfläche von über 400 Quadratmetern dazu, nicht verkaufte Lebensmittel an karitative Einrichtungen zu spenden. Diese Lebensmittel wegzuwerfen ist verboten und wird mit einer Geldbuße bestraft.

Großbritannien hat einen auf Initiative der Regierung entwickelten Aktionsplan, mit dem sich große Lebensmittel-Einzelhändler und -Hersteller, Gastronomen und Caterer verpflichtet haben, ihre Mengen an Lebensmittelresten zu messen und über ihre Gegenmaßnahmen zu berichten. Bis September 2019 soll wenigstens die Hälfte der 250 größten Lebensmittelunternehmen mitmachen, die zweite Hälfte soll bis zum Jahr 2026 ebenfalls aktiv dabei sein. Eine solche Erfassung der Lebensmittelreste auf allen Stufen brauchen wir auch.

In Dänemark hat eine einzelne Frau, Selina Juul, mit ganz praktischen Vorschlägen richtig Schwung in die Verschwendungsvermeidung gebracht, und Dänemark hat innerhalb von fünf Jahren bereits 25 Prozent Lebensmittelverschwendung abgebaut. Die von Juul gegründete Initiative Stop Wasting Food bietet Beratung zur Vermeidung von Verschwendung und fördert eine bessere Haushaltsplanung und bessere Einkaufsmuster. Sie unterstützt Supermarktketten beim Aufbau von verschwendungsreduzierenden Strategien und hat „Doggy Bags“ in über 300 Restaurants eingeführt.
Diese Beispiele zeigen, dass man auf allen Ebenen ansetzen muss. Man braucht rechtliche Regelungen genauso wie gute Ideen im Alltag.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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