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Was die Haushaltssperre für die kommenden Ausgaben des Bundes bedeutet

Der Staat ist weiterhin zahlungsfähig, trotz Haushaltssperre. Doch wie werden nach dem Entscheid des Finanzministeriums künftige Investitionen finanziert? Für die SPD steht das Festhalten an der Schuldenbremse erneut in Frage.
von Vera Rosigkeit · 21. November 2023
Die Verkündung der Haushaltssperre durch das Finanzministerium stellt die Finanzierung vieler Vorhaben der Regierung infrage
Die Verkündung der Haushaltssperre durch das Finanzministerium stellt die Finanzierung vieler Vorhaben der Regierung infrage

In der vergangenen Woche hatte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Umwidmung von Krediten in Höhe von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für verfassungswidrig erklärt. Damals hatte die Bundesregierung den Haushalt nachträglich über eine sogenannte Kreditermächtigung um 60 Milliarden Euro aufgestockt und das mit der Notfallsituation während der Corona-Pandemie begründet, das Geld jedoch nicht für diesen Zweck gebraucht. Mit Zustimmung des Bundestags schichtete sie es deshalb rückwirkend in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) um. Diese Praxis hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Als Folge hat das Bundesfinanzministerium am Montag eine Haushaltssperre ausgesprochen. Doch was bedeutet das im einzelnen?

Welche Folgen hat eine Haushaltssperre?

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post, erklärt dazu am Dienstag, dass nach der vom Bundesfinanzministerium eingesetzten Sperre die Bundesregierung nunmehr im Einzelfall darüber entscheide, ob die im Bundeshaushalt 2023 eingestellten Verpflichtungen für kommende Jahre eingegangen werden dürfen. Post weist dabei explizit darauf hin, dass es sich dabei nicht um laufende Ausgaben handelt. „Die für 2023 etatisierten Mittel können weiter abgerufen werden“, erklärt er. Auch bereits eingegangene Verpflichtungen seien davon nicht betroffen.

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat im Interview mit dem Morgenmagazin MOMA bekräftigt, dass diese Haushaltssperre nicht besagt, der Staat dürfe jetzt keine Ausgaben mehr tätigen. „Der Staat kann alle seine aktuellen Ausgaben bestreiten.“ Die Sperre besage vielmehr, dass neue Verpflichtungsermächtigungen im Moment nicht möglich seien. Damit sind neue Ausgabenverpflichtungen für die Zukunft gemeint. Letztendlich gehe es darum, wie die 60 Milliarden Euro, die nicht dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds zugeführt werden dürfen, nun finanziert werden können. „Dafür müssen wir andere Lösungen finden“, so Kühnert.

Wie könnten Lösungen zur Finanzierung aussehen?

Kühnert betont, dass die vorgesehenen Ausgaben des Klima- und Transformationsfonds Überlegungen zur Sicherung des Standorts Deutschland und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit seien. Deshalb müsse es nun darum gehen, andere Einnahmequellen zu finden, um diese Ausgaben weiter tätigen zu können. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erklärt im Interview mit dem Magazin „Stern“, dass eine konsequente Klimapolitik mit guter Arbeitsmarktpolitik weiterhin verknüpft werden müsse. Beide Politiker plädieren für ein Aussetzen der Schuldenbremse. Forderungen seitens des Koalitionspartner, die 60 Milliarden Euro-Lücke im Bundeshaushalt durch Kürzungen im Sozialbereich schließen zu wollen, weisen sie entschieden zurück.

Wofür steht die SPD?

Kühnert zieht für seine Partei die Möglichkeit in Betracht, das Jahr 2023 zu einer Notlage zu erklären und damit die Schuldenbremse auszusetzen. „Wenn die SPD alleine regieren würde, dann wäre das sicherlich etwas, was wir tun würden, und auch nicht aus Trickserei, sondern weil die Notlage objektiv gegeben ist.“ Gleichzeitig macht er deutlich: „Ich kann nur für die SPD sagen, einfach 60 Milliarden mit dem Rasenmäher irgendwo einzusparen im Haushalt, Sozialabbau zu machen, die Transformation unserer Gesellschaft wieder zurückzunehmen, Unternehmen nicht mehr im internationalen Wettbewerb zu unterstützen und damit Arbeitsplätze in Deutschland zu verlieren, das ist etwas, dafür ist die SPD nicht gewählt worden 2021, und dafür werden wir niemals die Hand heben im Deutschen Bundestag.“

Fraktionschef Mützenich geht noch einen Schritt weiter. Die Lage sei so ernst, „das wir mit unserer Kanzlermehrheit noch einmal die Ausnahme von der Schuldenbremse durch Feststellung der Notlage herbeiführen können“, sagt er. „Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 die Ausnahmeregel zu ziehen – womöglich auch länger“, ist er überzeugt. Die Begründung der Notsituation liefert Mützenich mit Verweis auf den Ukraine-Krieg und dem Krieg im Nahen Osten gleich mit. „Einige Dinge, die derzeit auf der Welt passieren, führen ‘zu außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen‘, wie es das Grundgesetz verlangt.“ Gleichzeitig warnt er davor, im Sozialbereich zu kürzen. Das brächte seiner Meinung nach die „Demokratie zusätzlich in Gefahr“.

Was spricht für die Reform einer Schuldenbremse?

Der Ökonom und Sachverständige im Wirtschaftsrat der Bundesregierung, Achim Truger, hat eine klare Meinung dazu. Der Beschluss der Bundesregierung zur Einhaltung der Schuldenbremse in diesem und auch im kommenden Jahr sei nicht notwendig gewesen, erklärt er dem Medienhaus Correctiv. Sollte versucht werden, die Lücke von 60 Milliarden Euro tatsächlich über Kürzungen im Haushalt einzusparen, könnte das laut Truger sogar die Konjunkturerholung im kommenden Jahr beeinträchtigen. Er sieht eine große Gefahr darin, dass jetzt an Investitionen gespart werde. Eine vernünftige Schuldenbremse wäre seiner Meinung nach eine, die „Luft für Investitionen lässt“.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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