Was die Corona-Bundesnotbremse für die Bürger*innen bedeutet
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Das Bundeskabinett hat am Dienstag Ergänzungen des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Mit diesen Änderungen – „Bundesnotbremse“ genannt – bekommt die Bundesregierung in der Pandemiebekämpfung mehr Durchgriffsrechte gegenüber den Ländern. Es gelten einheitliche Richtlinien für das gesamte Bundesgebiet.
Die Länder werden gesetzlich verpflichtet, die im Gesetz aufgeführten Maßnahmen bei hohen Inzidenzen ohne Ausnahmen umzusetzen. Der bisher oft herrschende regionale Flickenteppich von Sonderregelungen in einzelnen Bundesländern soll damit der Vergangenheit angehören. Der Bundestag muss zustimmen. Auch der Bundesrat muss beteiligt werden.
Notbremse ab Sieben-Tage-Inzidenz von 100
Der Gesetzentwurf sieht eine bundesweit verbindliche Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100. Das bedeutet: Überschreitet ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Corona-Neuinfektionen je 100.000 Einwohner*innen innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag zusätzliche Maßnahmen. Zur Zeit überschreiten 325 der 401 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland die 100er-Marke. Sofern Maßnahmen in einem Bundesland strenger sind als im Infektionsschutzgesetz vorgesehen, gelten diese weiter. Sinkt in dem entsprechenden Landkreis oder der kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz unter den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen, so tritt dort ab dem übernächsten Tag die Notbremse außer Kraft.
Die Notbremse umfasst in den von einer 100-Inzidenz betroffenen Landkreisen und Städten umfangreiche Einschränkungen: So dürfen sich Angehörige eines Haushalts künftig nur noch mit einem weiteren Menschen treffen. Maximal fünf Menschen dürfen zusammenkommen, Kinder unter 14 Jahren werden dabei nicht mitgezählt. Es gelten die umstrittenen nächtlichen Ausgangssperren von 21 bis 5 Uhr. Ausnahmen sind nur in begründeten Fällen möglich, wie etwa medizinische Notfälle, die Begleitung Sterbender, wichtige berufliche Gründe oder auch die Versorgung von Tieren.
Einschränkungen bei Geschäften und Restaurants
Weder Ladengeschäfte noch Baumärkte dürfen öffnen. Der Lebensmittelhandel darf weiter öffnen, ebenso wie Getränkemärkte, Reformhäuser, Apotheken, Drogerien und Tankstellen. Hier müssen die Kund*innen FFP2- oder vergleichbare Masken tragen. Es darf auch nur eine begrenzte Zahl an Menschen in die Läden eingelassen werden.
Restaurants und Betriebskantinen dürfen keine Gäste mehr einlassen. Eine Abgabe und Lieferung von Speisen und Getränken bleibt jedoch erlaubt. Urlaubsreisen sind nicht mehr möglich, Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sind untersagt. Ausnahmen gelten für Geschäftsreisende.
Viele Freizeiteinrichtungen müssen schließen
Freizeiteinrichtungen müssen weitgehend geschlossen sein: Das gilt für Schwimmbäder, Clubs, Zoos, Theater, Kinos und Museen. Auch Sport wird untersagt. Ausgenommen ist laut Gesetzentwurf der Bundesregierung lediglich Individualsport mit maximal zwei Personen oder mit Angehörigen des eigenen Haushaltes. Profisport darf weiterhin nur ohne Zuschauer*innen stattfinden.
Dienstleistungen mit körperlicher Nähe zu Kund*innen sind verboten. Ausgenommen sind solche Dienstleistungen, „die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen sowie Friseurbetriebe“. Dabei müssen FFP2-Masken oder vergleichbare Masken getragen werden. Für einen Friseurbesuch muss ein höchstens 24 Stunden altes negatives Testergebnis vorgelegt werden.
Arbeitgeber*innen sollen Homeoffice ermöglichen
Im Berufsleben bleibt es dabei, dass möglichst viele Menschen zu Hause arbeiten sollen, also im „Homeoffice“. Arbeitgeber*innen müssen dies ermöglichen, „wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“, so der Gesetzentwurf.
Bei Kitas und Schulen will der Bund bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 noch nicht eingreifen. Hier gab es besonders starken Widerstand der Länder. Präsenzunterricht bleibt nach dem Gesetzentwurf möglich, Schüler*innen sollen allerdings zweimal pro Woche auf Corona getestet werden. Geschlossen werden Schulen, wenn die Inzidenz 200 übersteigt. Möglich ist dann nur noch eine Notbetreuung. Ausnahmen kann es lediglich für Abschlussklassen geben.
Bundestag und Bundesrat nun am Zug
Die Bundesregierung wird ermächtigt, zur einheitlichen Festsetzung von Corona- Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen. Die Rechtsverordnungen sind an die Überschreitung einer Inzidenz von 100 geknüpft. Damit werden dem Bund zusätzlich weitere Handlungsmöglichkeiten gegeben, um eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes zu gewährleisten.
Ob das Gesetz noch diese Woche beschlossen werden kann, ist unklar. Der Bundestag tagt am Mittwoch regulär. Der Bundesrat dagegen erst wieder am 7. Mai. Es wäre also eine Sondersitzung der Länderkammer nötig, wenn das neue Infektionsschutzgesetz mit seiner Notbremse rasch in Kraft treten soll.