Newsletter
Inland

Warum wir Mecklenburg-Vorpommern nicht abschreiben dürfen

Mecklenburg-Vorpommern den Rechten überlassen oder darum kämpfen? Nach dem AfD-Erfolg bei der Landtagswahl tobt diese Debatte in Medien und Öffentlichkeit. Für Sonja Steffen kann es auf die Frage nur eine Antwort geben.
von Sonja Steffen · 08. September 2016
Anklam vor der Wahl
Anklam vor der Wahl

„Das Bundesland oben-rechts“ hieß es schon bei den Landtagswahlen 2006 und 2011, als in Mecklenburg-Vorpommern die NPD Mandate im Landtag erringen konnten. Jetzt wurde wieder gewählt. Die NPD ist raus, dafür haben wir uns eine AfD eingefangen, die aus dem Stand zweitstärkste Kraft im Schweriner Landtag geworden ist. Kaum waren die ersten Prognosen veröffentlicht, ging das Bashing los: Bei Twitter hieß es, „Mecklenburg-Vorpommern sei das am dümmsten besiedelte Bundesland“ und in der taz kündigte der Geschäftsführer von „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ an, seinen Urlaub auf Usedom zu stornieren, da er keine Lust habe, bei den Nazis Urlaub zu machen.

AfD ist kein Problem des Ostens

Diese Verortung der Probleme, die die AfD stark gemacht haben, in die ostdeutschen Bundesländer, scheint für viele Menschen angenehm. Dann sind es nicht mehr UNSERE, sondern DEREN Probleme. Auf der einen Seite WIR guten Mitte-Links-Wähler und auf der anderen Seite die Schmuddelkinder, die bereits die NPD gut fanden und jetzt halt AfD wählen. Doch das ist falsch! Die AfD konnte seit 2014 bei allen Landtagswahlen Fraktionsstärke erreichen und ist inzwischen in neun Landtagen und im Europaparlament vertreten. Die AfD schürt überall in Deutschland Ängste vor Überfremdung und spielt den Leuten vor, Probleme lösen zu können, die sie selbst erfunden hat.

Mecklenburg-Vorpommern ist nicht rechts und fremdenfeindlich, auch wenn viele Kommentatoren es gerne herbeischreiben würden. Die Menschen in meiner Wahlheimat sind mindestens so vielfältig wie das Land selber. Und jetzt haben halt 170.000 Menschen ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Ja das ist blöd, aber es gibt immer noch 1,4 Millionen Menschen, die genau das nicht getan haben. Aktuell sind die Rechten zwar lauter. Aber nicht alles was laut ist, ist damit auch automatisch richtig.

AfD ist eine Minderheit

In Anklam haben am Sonntag 1547 Menschen ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Bei einer Veranstaltung der Band Feine Sahne Fischfilet zwei Wochen zuvor tanzten dort über 2000 Menschen gegen den drohenden Rechtsruck im Land an. Solche Beispiele ermutigen und zeigen, dass die AfD, auch wenn sie gerne anders behauptet, in der Minderheit ist. Die Menschen werden schnell merken, dass sie sich mit dieser Form von Protest in erster Linie selbst schaden.

Ich glaube nicht, dass die Wählerinnen und Wähler der AfD durch die Bank fremdenfeindlich sind, denn dann hätten sie ihr Kreuz auch bei der NPD machen können (diese 25.000 Personen bereiten mir deutlich größere Kopfschmerzen). Viel mehr fühlen sie sich durch die übrigen Parteien nicht mehr ausreichend vertreten. Daran müssen wir arbeiten.

Persönlicher Einsatz zahlt sich aus

Dass es sinnvoll ist, auf die Menschen zuzugehen und auch gegen Widerstände und platte Parolen anzukämpfen, hat zum Beispiel Patrick Dahlemann in seinem Wahlkreis gezeigt. Obwohl die AfD in Ostvorpommern durchweg starke Ergebnisse erzielt hat und drei Direktmandate gewinnen konnte, schaffte es Patrick Dahlemann, den Menschen zu zeigen, dass es eine Alternative zur Alternative gibt, die schon lange bekannt ist und sich seit 150 Jahren für soziale Gerechtigkeit einsetzt.

Ich lade Sie alle ein, nach Mecklenburg-Vorpommern zu kommen und sich ein Bild zu machen. Von der Ostsee, von den Seen, von Rügen und Usedom, von den Städten und Häfen und vielem mehr. Und wenn sie da sind, reden Sie mit den Menschen und Sie werden schnell merken, dass der Anteil an rechten Idioten nicht so groß ist, wie es aktuell scheint. Ich werde daran arbeiten, dass dies auch in den nächsten Wahlergebnissen wieder deutlich wird. Ich freue mich auf Sie!

Autor*in
Sonja Steffen

ist Mitglied des Bundestags und Justiziarin der SPD-Bundestagsfraktion.

Noch keine Kommentare
Schreibe ein Kommentar

Restricted HTML

  • Allowed HTML tags: <a href hreflang> <em> <strong> <cite> <blockquote cite> <code> <ul type> <ol start type> <li> <dl> <dt> <dd> <h2 id> <h3 id> <h4 id> <h5 id> <h6 id>
  • Lines and paragraphs break automatically.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.