Warum wir ein Sexkaufverbot brauchen
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Nicht nur als Politikerinnen und Politiker sind wir in Deutschland diesem Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes verpflichtet. Insofern muss jegliche Debatte zur Prostitution und zu einer Gesetzesänderung auch aus der Perspektive der Gleichstellung der Geschlechter angegangen werden.
Das Prostitutionsgesetz (ProstG) von 2002 hatte das Ziel, die soziale und rechtliche Diskriminierung von Prostituierten zu verbessern. Zwölf Jahre danach aber stellen wir fest, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Auch der Kampf gegen Zwangsprostitution ist erschwert worden. Eine wissenschaftliche Studie der Uni Bremen hat ergeben, dass im Arbeitsfeld der Prostitution eine massive strukturelle Diskriminierung herrscht, die vor allem Frauen betrifft. Geschlechterhierarchische Stereotypen und Rollenzuschreibungen prägen diesen Arbeitsmarkt stärker als jeden anderen, so das Ergebnis der Studie.
Das ProstG lässt die geschlechtshierarchische diskriminierende Lebenswirklichkeit in der Prostitution im Ergebnis unangetastet. Es steht somit im klaren Widerspruch zur staatlichen Schutzpflicht aus Artikel 3 Satz 2 GG, wonach Diskriminierung durch aktive Maßnahmen zu beenden ist. Im Gegenteil: Das Prostitutionsgesetz verstetigt und zementiert in seinen tatsächlichen Auswirkungen vielmehr die strukturelle geschlechtsspezifische und sexuelle Diskriminierung von Frauen in der Prostitution.
Dies zeigt sich auch im Vergleich mit der Gesetzgebung in anderen Ländern: In Australien etwa. Hier sind einige Bundesstaaten, die eine liberalisierte Gesetzgebung zur Prostitution verfolgen, mit sich ständig ausdehnenden Grenzen im Prostitutionsgewerbe konfrontiert. Die Politik hinkt mit ihrer Gesetzgebung der sogenannten „Sexindustrie“ stets nur hinterher. Auch herrscht in dieser „Sexindustrie“ eine völlig unklare Datenlage. Wir müssen daher dringend das Dunkelfeld aufhellen, uns über diesen Markt als einem starken Wirtschaftsfaktor klar werden, die Profiteure aufdecken und die Forschung erweitern, bevor wir Gesetze, die an der Realität vorbeigehen, nur wieder reparieren.
Grundsätzlich müssen wir eine Debatte führen über die fehlende Definitionsabgrenzung von Prostitution und Zwangsprostitution. Die Gründe für Menschen, meist Frauen, sich zu prostituieren, sind sehr unterschiedlich. Einer der Hauptfaktoren ist die Nachfrage, meist durch Männer. Sie macht sowohl Menschenhandel als auch Prostitution lukrativ. Daher unterstütze ich die Forderung nach einem Sexkaufverbot als Maßnahme, die den Markt unterminiert und der Nachfrage, Sex zu kaufen, entgegenwirkt. Die Freierbestrafung, die übrigens auch von Terre des Femmes gefordert wird, halte ich insofern für eine wirksame Vorgehensweise im Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel.
Zwangsprostitution und sexuelle Ausbeutung sind stark geschlechtsspezifisch geprägt. Sie stehen im Widerspruch zu den Menschenrechtsprinzipien und sind mit der EU-Grundrechte-Charta unvereinbar.
Ganz sicher brauchen wir keine moralinsaure Schwarz-Weiß-Diskussion um ein Prostitutionsverbot. Es ist mir vielmehr ein Anliegen, dass die SPD in dieser Fragestellung zu einer Haltung findet, wie sie eine solche Haltung derzeit in den Debatten um Sterbehilfe oder zur Asylthematik im europäischen Kontext erarbeitet. Vergleichbare Debatten, die wie ich finde, einen zivilisatorischen und gesellschaftlichen Mentalitätswandel auf den Weg gebracht haben, waren diejenigen zur Vergewaltigung in der Ehe (1997) und zum Kinderrecht auf eine gewaltfreie Erziehung (2000).
Meine Unterstützung gilt der Resolution des EU-Parlaments, dem sogenannten „Honeyball-Bericht“ über sexuelle Ausbeutung und Prostitution, der mit großer Mehrheit vom EU-Parlament angenommen worden ist. Er fordert die EU-Staaten auf, die Nachfrage nach Prostitution einzudämmen, indem sie die Freier bestrafen und nicht die Prostituierten.
Mehr zum Thema: Ein Verbot schadet nur den SexarbeiterInnen. Gastbeitrag von Sönke Rix
Dr. Dorothee Schlegel (SPD) ist Berichterstatterin für Gender und Gleichstellung im Bundestagsausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union und Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend