Warum meist die falschen Wohnungen gebaut werden
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Die Zinsen sind niedrig. Die Nachfrage ist hoch. Trotzdem werden in Deutschland zu wenige Wohnungen gebaut. Woran liegt das?
Für die Investoren ist es noch immer nicht attraktiv genug, Wohnungen zu bauen, die für durchschnittliche Mieter bezahlbar sind. Es werden zwar inzwischen deutlich mehr Wohnungen gebaut als noch vor einigen Jahren, allerdings vor allem im mittleren und gehobenen Preissegment, mit dem Investoren am meisten verdienen können.
Wie sollten Anreize für Bauherren aussehen?
Im sozialen Wohnungsbau wären direkte Investitionszulagen sinnvoll. Wer bereit ist, Sozialwohnungen zu bauen, sollte einen direkten Zuschuss vom Staat bekommen. Das schafft auch Planungssicherheit. Eine andere Möglichkeit wären steuerliche Erleichterungen. Da ist in der Vergangenheit einiges ausprobiert worden, das jedoch nicht immer den gewünschten Effekt gehabt hat.
Wenn jetzt, im August 2016, eine Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus vorliegt: Wie lange dauert es in etwa, bis die Wohnungen bezugsfertig übergeben werden können?
Im Idealfall, wenn alles ineinander greift, klappt das in einem Jahr. Die Probleme liegen eher davor.
Wie meinen Sie das?
Der Vorlauf zwischen dem Beginn der Planung und der Erteilung der Baugenehmigung ist mitunter sehr lang. Viele Baubehörden sind unterbesetzt. So bleiben Bauanträge manchmal ein Jahr liegen.
Der Deutsche Mieterbund will das Modell der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften erneuern. Was erhoffen Sie sich davon?
Bis 1990 gab es das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Unternehmen, die sich verpflichtetet haben, bezahlbaren Wohnraum dauerhaft anzubieten, steuerliche Vergünstigungen garantiert hat. Vor 25 Jahren ist es abgeschafft worden. Wir finden, das war ein Fehler. Man hätte das Gesetz lieber vernünftig reformieren sollen. Unsere Forderung ist deshalb, gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen, z.B. Genossenschaften, kirchliche Unternehmen oder Wohnungsunternehmen, die teilweise oder vollständig in öffentlicher Hand sind, zu stärken. Die Gemeinnützigkeit war etwas Gutes und wäre es auch heute. Deshalb plädieren wir dafür, wieder einen solchen Sektor auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen. Daneben brauchen wir aber auch die Privaten, weil die öffentlichen Wohnungsunternehmen das Problem des knappen Wohnraums und der steigenden Mieten nicht allein stemmen können.
Wien wird oft als leuchtendes Beispiel für den Wohnungsbau genannt. Was machen die Österreicher anders?
In Wien ist weit mehr als die Hälfte aller Wohnungen in städtischer Hand oder in der Hand gemeinnütziger Bauträger. Dadurch kann die Politik direkt Einfluss auf den Wohnungsmarkt nehmen. Wenn die Stadt baut oder Mietpreise senkt, hat das deutliche Auswirkungen. In deutschen Großstädten, wie zum Beispiel in Berlin, hat die Politik solche Möglichkeiten kaum, weil der Anteil der Wohnungen, die sich in öffentlichem Bestand befinden, weitaus niedriger ist. Österreich im Allgemeinen und Wien im besonderen gibt pro Kopf auch viel mehr Geld für die Förderung des Wohnens aus als Deutschland. Dadurch können Wohnungen, die teurer gebaut wurden, zu Preisen von sechs Euro pro Quadratmeter vermietet werden.
In Deutschland wurde lange eine gegenteilige Politik betrieben, die öffentliche Hand hat Wohnungen im großen Stil verkauft. Sind österreichische Verhältnisse damit ein für alle Mal passé?
Wien ist nicht mehr im großen Stil auf Deutschland übertragbar. Bei uns ist der Anteil der öffentlichen Wohnungen zu gering als dass die Politik damit maßgeblich Einfluss auf den Mietmarkt nehmen könnte. Wir müssen deshalb vor allem private Investoren dazu bekommen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wenn in Deutschland zusätzlich ein gemeinnütziger Sektor geschaffen würde, wäre das zunächst auch nur ein zartes Pflänzchen, das erstmal nur einen ganz kleinen Teil des Wohnungsbestands umfassen würde. Damit können wir nicht kurzfristig das Wohnungsproblem lösen. Trotzdem sollten wir einen Anfang machen.
Um den Bau neuer Wohnungen zu beschleunigen, hat Bundesbauministerin Barbara Hendricks jetzt eine Änderung des Grundgesetzes ins Spiel gebracht. Der Bund soll sich stärker beteiligen können. Wäre das ein wirksamer Schritt?
Das ist ohne Frage der richtige Schritt. Der Deutsche Mieterbund fordert ja schon länger, dass sich der Bund wieder stärker am Wohnungsbau beteiligt. Deshalb sind wir sehr froh, dass sich Barbara Hendricks so klar positioniert hat. Wenn der Bund nicht zumindest als Co-Partner für den Wohnungsbau zuständig ist, dürfte er nach aktueller Rechtslage ab 2020, wenn alle Regelungen zu Entflechtungsmitteln und Kompensationszahlungen ausgelaufen sind, überhaupt kein Geld mehr für den sozialen Wohnungsbau geben. Das darf nicht passieren. Wir brauchen eine Situation, in der der Bund Geld geben und mitbestimmen darf. Im Moment darf er nur Geld an die Länder geben, die damit im Grunde machen können, was sie wollen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.