Inland

Warum Männer im Bundestag noch immer in der Mehrheit sind

Nur 221 der 709 Abgeordneten im Bundestag sind weiblich. In seinem Buch „In der Männer-Republik“ versucht Autor und Filmemacher Torsten Körner zu ergründen, woran das liegt – und wie es geändert werden kann.
von Renate Faerber-Husemann · 2. März 2020
Zerrbild Bundestag? Wenn wegen der Corona-Krise deutlich weniger Abgeordnete im Plenum sind, werden auch nicht mehr alle Wahlkreise repräsentiert.
Zerrbild Bundestag? Wenn wegen der Corona-Krise deutlich weniger Abgeordnete im Plenum sind, werden auch nicht mehr alle Wahlkreise repräsentiert.

Stehe sie im Bundestag am Rednerpult, sehe sie nur „ein Meer von grauen Anzügen“, hat die frühere Bundesjustizministerin Katarina Barley mal gesagt. Im aktuellen Bundestag sitzen nur noch 30,7 Prozent Frauen, was vor allem ein „Verdienst“ der Fraktionen von von CDU, AfD und FDP ist, schreibt Torsten Kröner. Es ist ein sorgfältig recherchiertes Buch, das der Autor und Filmemacher geschrieben hat.

Der Titel sagt präzise, wohin ihn die Reise zu den politisch aktiven Frauen aller demokratischen Parteien geführt hat: „In der Männer-Republik“ hat er seine kluge Recherche genannt, die man bei allem Frust mit Vergnügen liest, denn der Mann kann schreiben. Er steht fest auf der Seite der Frauen, etwa wenn er sich Bundesinnenminister Horst Seehofer bei der Vorstellung der Mannschaft des BMI vorknöpft. „Da stehen vier Herren links und vier Herren rechts im uniformen Machtmannschick: zwickende Anzüge, Ernsthaftigkeit signalisierende Krawatten, zupackende Tatmenschengesichter mit zupackendem Lächeln.“

Ministerinnen beim „Hexenfrühstück“

Obwohl das Land seit 2005 von einer Kanzlerin regiert wird, obwohl Frauen in der Politik längst nicht mehr auf die sogenannten weichen Themen wie Familie und Kinder abgeschoben werden, hat sich doch erstaunlich wenig geändert, was wiederum zu schönen Solidarisierungen über Parteigrenzen hinweg führen kann: „Soll ich Dich mal wieder beschimpfen, damit deine Männer dir wieder vertrauen?“, fragte etwa die Bundestagsabgeordnete Renate Schmidt, SPD, die Kollegin Ursula Männle von der CSU.

Es mag  mit der Gönnerhaftigkeit der männlichen Alphatiere zu tun gehabt haben, dass die Politikerinnen in Bonn und Berlin sich während der Regierungszeit von Gerhard Schröder eng zusammenschlossen. Die immmerhin sechs Bundesministerinnen der rot-grünen Koalition trafen sich vor jeder Kabinettsitzung zu einem „Hexenfrühstück“, stimmten sich ab und stärkten sich wohl auch gegenseitig den Rücken.

Geschichten aus längst vergangenen Zeiten

Vieles, was Torsten Körner über die 80er und 90er Jahre schreibt, liest sich heute wie eine Geschichte aus längst vergangener Zeit. Zum Beispiel der ungebremste Sexismus, der sich vor allem in Zwischenrufen im Parlament äußern konnte. Manchmal war es blanker Hass, der Frauen entgegenschlug: Etwa wenn der Altkanzler Helmut Kohl mit seinem Ghostwriter über die damalige FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher sprach: Er nannte sie „eine Spezialziege, eines der bösartigsten Weiber in der Geschichte der Republik“.

Oder wenn der bayerische CSU-Abgeordnete Michael Glos einen großen Heiterkeitserfolg erzielte, als er der SPD-Rednerin Anke Martiny im Plenum zurief: „Sie sehen aber besser aus als Sie reden, Frau Kollegin!“ Ein solcher Satz wäre heute – hoffentlich – undenkbar.

Doch der Konkurrenzkampf zwischen Männern und Frauen besteht weiter, denn jeder Platz für eine Frau ist einer weniger für einen Mann. So einfach ist das vermutlich. Torsten Körner drückt das am Ende seines Streifzugs durch die weibliche politische Welt so aus: „Treten Frauen nicht einfach sehr viel vorsichtiger auf, während die Männer zum Licht stürmen wollen und sich dabei den Kopf an der nächsten Wand blutig schlagen? Männer fürchten kleine Schritte, Frauen wagen sie.“

Torsten Körner: „In der Männer-Republik“, Verlag Kiepenheuer&Witsch 2019, 22 Euro, ISBN 978-3-462-05333-3

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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