Warum junge Menschen Freiräume außerhalb der Schule brauchen
PHILIPP GABRIEL
„Junge Leute wollen sich engagieren, wollen aber auch direkt ein Ergebnis sehen“, erklärt Hamide Sauer. „Obdachlosen helfen, bei einer Tafel für Lebensmittelspenden mitarbeiten oder Foodsharing machen. Was sie tun, muss möglichst konkret sein“, so die 23-jährige Kölnerin. Sie selbst ist mit 15 Jahren über die „Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“ in die Politik gekommen. Das habe sich über Freunde so ergeben, die schon Mitglied waren, und auch, weil „die Oma schon dabei war“, erzählt sie.
Junge Menschen für Politik begeistern
Besonders die Ferienzeltlager der Falken am Attersee in Österreich oder der französischen Bretagne hat sie gut in Erinnerung. „Später habe ich eine Schulung als Helferin gemacht, ich wollte Verantwortung übernehmen“, erinnert sie sich. Nun organisiert sie regelmäßige Gruppentreffen im Stadtteil und ist als Leiterin bei den Sommerfreizeiten dabei. Ihre Arbeit bei den Falken brachte sie zu dem Entschluss, Lehrerin zu werden. Denn sie will Jugendliche für Politik begeistern. Sie motivieren, sich aktiv am politischen Leben zu beteiligen, wählen zu gehen, aber auch Kritik zu üben.
Das Studium der Kunst- und Sozialwissenschaften war für sie nicht selbstverständlich. „Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und war in der Hauptschule“, erzählt Sauer. „Um mein Ziel zu erreichen, musste ich eine Qualifikation auf dem Berufskolleg nachholen, um im Anschluss in einer Gesamtschule mein Abitur zu machen“, fährt sie fort. „Kein perfekter Bildungsweg“, betont sie. Aber einer, der zeige, wie wichtig kostenfreie Bildung sei.
Praktisch aktiv sein
Im Kölner Jugendzentrum können die unter 18-Jährigen im Superwahljahr 2017 schon mal „Wählen“ üben. Die Falken haben eine Wahlurne aufgestellt. „Da können Jugendliche abstimmen. Die Ergebnisse geben wir dann am Wahlabend bekannt“, erklärt sie. Das passt zum Konzept der Falken, die das Wahlrecht ab 16 Jahren einfordern, damit jüngere Menschen mehr Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen nehmen können.
Aber ebenso wie Parteien spüren auch Jugendorganisationen, dass ihnen die Jungen nicht die Tür einrennen. Hamide Sauer weiß, dass man aktiv werben muss, zum Beispiel Flyer verteilen oder im Bekanntenkreis Interesse wecken.
„Ich habe den Eindruck, dass viele frustriert sind und denken, sie können sowieso nichts ändern“, sagt sie. Auf der anderen Seite sehe sie aber auch, „dass sich junge Menschen engagieren wollen, allerdings möchten sie gerne konkret aktiv werden.“ Parteien seien dafür ungeeignet. Mit denen würden endlose Sitzungen und frustrierende Gremienarbeit verbunden. Sauer glaubt, dass vielen gar nicht bewusst sei, dass sie auch in Parteien etwas bewegen und verändern können. Die Kölnerin ist inzwischen der SPD beigetreten und seit kurzem stellvertretende Stadtbezirksvorsitzende.
Freiräume schaffen
Im Ortsverein hätten sie guten Zulauf, auch viele Jüngere seien dabei. Gemeinsam mit einer Willkommensinitiative für Geflüchtete haben sie vor einigen Wochen ein Nachbarschaftsfest organsiert – „ein offenes Treffen, wo Nachbarn mit Geflüchteten in Kontakt kommen konnten“, berichtet Sauer. Dadurch hätten sich viele Angebote und Vorschläge ergeben, selbst aktiv zu werden. „Ein großer Erfolg", sagt Sauer. Und eine gute Möglichkeit, auch junge Menschen in die Arbeit vor Ort einzubinden.
Trotz Studium und Gremienarbeit will Hamide Sauer weiterhin bei den Falken aktiv mitarbeiten. „Ich möchte mich auch als angehende Lehrerin dafür einsetzen, dass außerschulisch viel passiert.“ Denn, da ist Hamide Sauer sicher: „Junge Menschen brauchen Freiräume außerhalb der Schule. Das ist wichtig.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.