Warum Frauen auf dem Arbeitsmarkt immer noch benachteiligt sind
Nach ihren Gesellinnen-Jahren auf der Wanderschaft hat sich Johanna Röh als Tischlermeisterin mit einer eigenen Werkstatt selbstständig gemacht. Alles lief gut, bis sie schwanger wurde. Wäre Johanna Röh in ihrem eigenen Betrieb angestellt, hätte sie bereits zu Beginn der Schwangerschaft aufgrund gesundheitlicher Gefahren ein Beschäftigungsverbot bekommen und Krankengeld bezogen. Das kommt für sie zurzeit aber nicht in Frage, weil die Berechnung des Krankengeldes in den Beginn ihrer Gründungsphase fällt. Da hat sie viel investiert und wenig verdient. So beschreibt es Röh in ihrer Petition auf change.org. Sie fordert eine Reform des Mutterschutzes.
Die werde aktuell im Petitionsausschuss des Bundestages verhandelt, „wir als SPD unterstützen das“, erklärt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Verena Hubertz. Frauen, die sich für die Selbstständigkeit entscheiden, sollten keinen Nachteil bei diesem Karriereweg haben, der ohnehin schon risikobehafteter sei, fordert sie und nennt es ein „sozialdemokratisches Anliegen in dieser neuen Zeit, in der auch neue Wege gegangen werden müssen“.
Für mehr Gründerinnen
Tatsächlich lag 2021 der Anteil an Startup-Gründerinnen in Deutschland bei lediglich 17,7 Prozent. Nachzulesen in der Publikation zur Start-up-Strategie der Bundesregierung, die im vergangenen Jahr beschlossen wurde. „Damit fehlen auch Vorbilder und Frauen, die als Mentorinnen tätig werden“, weiß Hubertz aus eigener Erfahrung als ehemalige Start-up-Gründerin zu berichten. Die Rahmenbedingungen müssten stimmen. Sie begrüßt es, Frauen bei den Gründungen zu stärken, etwa indem ein extra staatliches Geld für Gründerinnen bereitgestellt werde. Wichtig sei aber auch eine Parität bei den Entscheidern, da, wo der Staat investiert.
Doch nicht nur für Frauen in der Selbstständigkeit müssten sich die Rahmenbedingungen ändern. Es müsse einiges getan werden, damit Frauen auch erwerbstätig sein könnten, wenn sie wollen. Zwar habe Deutschland in Europa die höchste Erwerbsbeteiligung von Frauen, jedoch arbeite beinahe jede zweite Frau in Teilzeit, stellt SPD-Fraktionsvizin Dagmar Schmidt klar.
Für weniger Teilzeit
Viele Frauen wollten raus aus der Teilzeit, könnten dies aber aufgrund mangelnder Kinderbetreuung oder familiärer Verpflichtungen nicht realisieren, betont sie. Denn neben der Sorge für Kinder stemmen insbesondere Frauen die Pflege von Angehörigen. Doch sei die Arbeitszeitreduzierung, die mit dieser Pflege einhergehe, für viele kaum zu kompensieren. „Deshalb wollen wir einen Anspruch auf Pflegezeit mit Lohnersatzleistung einführen.“
Auch soll es attraktiver werden, sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu sein, anstatt einen Minijob auszuüben. Aus diesem Grund stieg zum 1. Januar der Übergangsbereich auf 2.000 Euro: „Beschäftigte in diesem Übergangsbereich sind sozial genauso abgesichert, zahlen aber deutlich weniger Abgaben zur Sozialversicherung“, erklärt Schmidt. Und damit Erwerbsarbeit und Familienarbeit auch in Zukunft partnerschaftlich organisiert werden können, „müssen wir die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen schließen, Betreuungszeiten und Betreuungsqualität verbessern und flexible Arbeitszeiten im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zulassen“.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.