Warum Flüchtlinge als Azubis eine Bereicherung für deutsche Firmen sind
Dürfen wir im Zusammenhang mit den Menschen, die vor Gewalt und Not nach Deutschland fliehen, überhaupt von „wirtschaftlichem Nutzen“ sprechen? Oder geht es ausschließlich um humanitäre Hilfe für Schutzsuchende? Darüber wird zur Zeit viel gestritten. Eines aber dürfte den allermeisten klar sein: Ohne Arbeit wird die Integration der neuen Mitbürger nicht gelingen. Wer kein eigenes Geld verdient, wer sich im Beruf nicht entfalten kann, ist auch von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen.
Ohne Arbeit geht es nicht
Die Integration der Flüchtlinge sei eine Herausforderung, für die es weder „Blaupausen noch Patentrezepte gibt“, betont Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. „Eine reguläre Beschäftigung ist aber eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration.“ Aus diesem Grund hat das Wirtschaftsministerium in diesem Jahr zusammen mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) das Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ gegründet.
Seit Beginn des Projekts im März 2016 habe sich die Zahl der teilnehmenden Betriebe mehr als verdoppelt, erklärt Sprecherin Daphne Grathwohl gegenüber dem „vorwärts“ – von gut 300 auf knapp 700 Unternehmen. In dem Netzwerk tauschen sich Betriebe aus, die Geflüchtete einstellen, zum Beispiel über ihre Erfahrungen mit der Bürokratie oder dem Ausländer- und Asylrecht.
Zwischen Moral und Egoismus
Franz Pzrechowski betreibt die Werbeagentur „Unicblue“ in Gelsenkirchen und beschäftigt drei geflüchtete Azubis. Er ist begeistert von seinen „drei wichtigen Nachwuchsleuten“ aus Eritrea und Guinea. Die jungen Männer, zwischen 19 und 26 Jahre alt, seien hochmotiviert und „wollen etwas aus ihrem Leben machen“, schwärmt Przechowski. Eine „ganz dicke Scheibe“ könnten sich manche Jugendliche von den jungen Azubis abschneiden, findet ihr Chef. Nach dem Ende der Ausbildung will er alle drei als Gesellen bei „Unicblue“ anstellen.
Er mache dies nicht nur aus einer„moralischen Verpflichtung“ hilfsbedürftigen Flüchtlingen gegenüber, erzählt Przechowski. Es gebe daneben ganz „egoistische Motive des Unternehmers“, den Geflohenen einen Job anzubieten. Denn: Die neuen Azubis seien eine richtige „Bereicherung“ für seinen gesamten Betrieb.
Deutschkenntnisse: Nicht reden – sondern etwas tun
„Handwerker reden nicht viel, die tun“ sagt Theo Baumstark, der in Wiesbaden eine Firma für Haustechnik betreibt und einen 28-Jährigen aus Afghanistan beschäftigt. Perfektes Deutsch ist ihm als Chef gar nicht das Wichtigste bei seinen Azubis, betont er. Er suche „keine Germanisten“, auch deutsche Auszubildende hätten oft Schwierigkeiten, „komplexe Sachverhalte in angemessener Schriftform darzulegen.“ Baumstark setzt deshalb darauf, alle seine Azubis zu fördern – auch was die Allgemeinbildung betrifft. „Ich brauche diese Leute“, sagt er über den Nachwuchs in seinem Betrieb.
Die Regierung sei in der Flüchtlings- und Integrationspolitik auf einem „recht guten Weg“, findet Baumstark. Dass Flüchtlinge mit Ausbildungsplatz von der Abschiebung verschont bleiben sollen, findet er richtig. Die Ausbilder in den Unternehmen könnten dadurch sehen: „Ich mache das nicht umsonst.“
Vielfalt als Markenkern
Den deutschen Unternehmern rät Baumstark dazu, „offen zu sein“ für Neues. Franz Przechowksi sieht das ähnlich: Wer einen Asylbewerber einstellen wolle, sollte dies im eigenen Team „proaktiv kommunizieren“. Ein angestellter Flüchtling stütze das Unternehmen wie alle anderen Angestellten auch. Die Vielfalt und Offenheit in einem Betrieb könne sogar zum „Markenkern“ des Unternehmens werden, betont er. Seine Firma „Unicblue“ ist inzwischen bei vielen als interkulturell offene Agentur bekannt – und dies mache ihn „stolz wie Bolle“, freut sich der Geschäftsführer Franz Pzrechowski.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.