Warum es keine risikofreie Cannabis-Legalisierung geben kann
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Die Bundesregierung will die Legalisierung von Cannabis nur anpacken, wenn sie grünes Licht der EU-Kommission erhält. Doch auch eine Vorabprüfung der Kommission kann nicht alle rechtlichen Risiken beseitigen.
Die Legalisierung von Cannabis-Verkauf und Besitz gilt als rechtlich problematisch, weil Deutschland an völkerrechtliche Anti-Drogen-Verträge gebunden ist und auch das EU-Recht Cannabis als illegale Droge behandelt.
Die Rechtsordnung kann sich ändern
Kleiner ist dabei die völkerrechtliche Hürde. Laut Suchtstoffabkommen von 1988 muss Cannabis nur kriminalisiert werden, wenn dies mit den „Grundzügen der nationalen Rechtsordnung“ vereinbar ist. Doch schon 1993 hat Deutschland in einer Interpretationserklärung darauf verwiesen, dass sich diese Rechtsordnung ändern kann. Nun will die Bundesregierung eine neue Interpretationserklärung nachschieben. Falls die internationale Drogenkontrollbehörde das nicht akzeptiert, kann man ihre „Hinweise“ politisch aussitzen, wie das auch andere Staaten machen, etwa Kanada und Uruguay. Als letzte Möglichkeit können solche Verträge auch gekündigt werden.
So einfach entkommt man dem EU-Recht nicht. Niemand will aus der EU austreten, nur um das Kiffen legalisieren zu können. Und Urteile des Europäischen Gerichtshof (EuGH) sind unmittelbar verbindlich. Die Bundesregierung will deshalb verhindern, dass es wegen der Cannabis-Legalisierung zu einem Vertragsverletzungs-Verfahren kommt und am Ende der EuGH entscheidet.
Was ist „illegaler Drogenhandel“?
Zwar ist auch das EU-Recht durchaus flexibel. So erfasst ein EU-Rahmenbeschluss von 2004 den „illegalen Drogenhandel“; nur wenn Drogen „ohne Berechtigung“ verkauft werden, muss dies in den EU-Staaten unter Strafe gestellt werden. Der Umkehrschluss liegt nahe: Wenn Cannabis legalisiert wird, dann haben die lizensierten Shops eine „Berechtigung“.
Ob sich auch die EU-Kommission auf solche Argumente einlässt, soll nun vorab geklärt werden, bevor in Deutschland ein Gesetz beschlossen wird. Die Bundesregierung will deshalb den (noch nicht vorliegenden) Gesetzentwurf bei der EU-Kommission „notifizieren“, um zu hören, welche Bedenken die Brüsseler Behörde hat.
Dialog Berlin–Brüssel sinnvoll
Solche Notifizierungen sind sogar vorgeschrieben, wenn es um „technische Vorschriften“ und um bestimmte Einschränkungen für Dienstleistungen geht. Dann muss die EU-Kommission zwingend vorab informiert werden und auch binnen drei Monaten antworten. Auf den Verkauf von Cannabis-Produkten passt aber beides nicht richtig. Informell fragen kann man natürlich trotzdem.
Umgekehrt würde auch die EU-Kommission bei einem Vertragsverletzungsverfahren Deutschland nicht sofort beim EuGH verklagen, sondern zunächst zu einer Stellungnahme auffordern. Der Dialog geht in der EU immer vor.
Viele könnten klagen
Doch selbst wenn sich die Bundesregierung mit der EU-Kommission einigt, unter welchen Bedingungen die Kommission auf ein Verfahren verzichtet, ist Deutschland nicht auf der sicheren Seite. Dies hat der Streit um die Autobahn-Maut gezeigt. Hier hat am Ende Österreich geklagt und aufgrund dieser Klage hat der EuGH 2019 das – vor allem von der CSU propagierte – Gesetz beanstandet. Auch nationale Gerichte können den EuGH einschalten, wenn sie glauben, ein deutsches Gesetz verstoße gegen EU-Recht. So war es zum Beispiel bei der Vorratsdatenspeicherung, die im September diesen Jahres vom EuGH als unverhältnismäßig eingestuft wurde.
Juristische Risiken lassen sich bei der geplanten Cannabis-Legalisierung also nicht gänzlich ausschließen. Wer das verspricht oder anstrebt, meint es mit der Legalisierung wohl nicht allzu ernst. Den Dialog mit der EU-Kommission zu suchen, ist aber sicher sinnvoll, wenn der Dialog den Zeitplan nicht völlig sprengt.