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Warum eine Klimaprämie mehr hilft als eine niedrigere Stromsteuer

In Deutschland soll wieder mehr in Klimaschutz investiert werden. Bundesumweltministerin Svenja Schulze will aber vermeiden, dass eine CO2-Steuer einkommensschwache Haushalte zusätzlich belastet. Die Kosten könnte eine Klimaprämie abfedern, erklärt die Ökonomin Dr. Katja Rietzler.
von Benedikt Dittrich · 24. Juli 2019

Frau Rietzler, derzeit wird viel darüber diskutiert, wie eine CO2-Besteuerung sozial fair gestaltet werden kann. Sie plädieren in Ihrem Gutachten für eine Klimaprämie. Warum?

Eine CO2-Steuer wirkt regressiv, das heißt Haushalte mit geringerem Einkommen werden relativ zum Einkommen stärker belastet. Eine Klimaprämie könnte die Belastungen abfedern. Da sie als einheitlicher pro-Kopf-Betrag ausgezahlt werden soll, ist die Entlastung relativ zum Einkommen bei den Haushalten mit den niedrigsten Einkommen am höchsten. Damit korrigiert die Klimaprämie die regressive Wirkung der CO2-Steuer. Da Menschen mit niedrigen Einkommen seltener mit dem Auto fahren und in kleineren Wohnungen wohnen, ergibt sich bei den Haushalten mit den niedrigsten Einkommen im Durchschnitt trotz der Besteuerung insgesamt eine Entlastung. Auch Familien profitieren tendenziell.

Wäre eine Senkung der Stromsteuer, wie sie an anderer Stelle diskutiert wird, nicht ebenfalls denkbar?

Von einer Senkung der Stromsteuer beziehungsweise eine Finanzierung der EEG-Umlage aus dem Bundeshaushalt erwartet man sich Impulse für die sogenannte Sektorkopplung, also für den Ersatz fossiler Brennstoffe durch Strom aus erneuerbaren Quellen, beispielsweise beim Übergang zur Elektromobilität. Billigerer Strom dürfte aber generell zu einer höheren Stromnachfrage führen – auch für Wäschetrockner und ähnliches. Solange nicht der gesamte Strom aus erneuerbaren Energien stammt, wäre dies problematisch. Man muss zudem bedenken, dass bei einem steigenden CO2-Preis die maximal mögliche Strompreissenkung schnell erreicht wäre.

Wer sein Auto braucht, um täglich zur Arbeit zu fahren, würde durch eine CO2-Steuer womöglich stark belastet werden. Gibt es Überlegungen, wie Pendler entlastet werden könnten?

Bei Pendlern, die weite Strecken mit dem Auto zurücklegen, kann die Klimaprämie die Mehrbelastung in den meisten Fällen nicht kompensieren. Am ehesten ist dies noch bei Familien mit mehreren Kindern der Fall. Pendler, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens keine oder kaum Einkommensteuer zahlen, profitieren auch nicht von der Entfernungspauschale, werden aber relativ zum Einkommen besonders stark mit der CO2-Steuer belastet. Für diese Fälle könnte man über ein vorübergehendes Mobilitätsgeld je Kilometer nachdenken, um die Anpassung zu erleichtern. Parallel sollten der öffentliche Verkehr und Fahrradschnellwege ausgebaut werden sowie Telearbeit gefördert werden. Schrittweise kann die Mobilitätsförderung dann an die Klimafreundlichkeit geknüpft werden.

Wie schnell wäre eine Klimaprämie denn umsetzbar?

Während die CO2-Steuer problemlos mit der Energiesteuer erhoben werden könnte, braucht man bei der Einführung einer Klimaprämie einen gewissen Vorlauf. Zunächst brauchen wir eine Behörde, die die Zahlungen abwickeln kann und die Daten aller Bürger hat. Dafür käme das Bundeszentralamt für Steuern in Frage, das die Steueridentifikationsnummern an alle Einwohner vergibt. Es müsste allerdings Meldedaten überprüfen und Bankverbindungen erfragen. Daher gäbe es anfänglich einen erhöhten Aufwand, der aber schnell zurückgehen würde und relativ zum Milliarden-Aufkommen aus der CO2-Steuer gering sein dürfte.

Auch die Wirtschaftsweisen haben sich zum Thema geäußert, empfehlen einen CO2-Preis als zentrales Element, um Klimaschutzziele zu erreichen. Ein Widerspruch zu dem Gutachten, das Sie mit verfasst haben?

Die Wirtschaftsweisen sehen längerfristig die Lösung in einem umfassenden – am besten globalen – Emissionshandel, weil da die Mengenvorgaben mit dem geringsten Aufwand  verlässlich eingehalten werden können. Bislang unterliegt nur ein Teil der Emissionen dem europäischen Emissionshandel. Nicht erfasst sind Wärme und Verkehr. Bis diese Bereiche vollständig in den Emissionshandel integriert werden können, würde wertvolle Zeit vergehen. Eine CO2-Steuer ist kurzfristig umsetzbar. Diesen Vorteil sehen auch die Wirtschaftsweisen. node:vw-infobox

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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