Warum ein Paketzusteller gegen die Rentenkampagne der INSM kämpft
Auf der Plattform change.org haben Sie eine Petition gegen die Rentekampagne der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) gestartet. Was stört sie daran?
Diese Kampagne ist demagogisch und manipulativ. Sie spaltet die Gesellschaft, weil sie versucht, Junge gegen Alte aufzuhetzen. Die Dinge, die die INSM auf ihren Plakaten behauptet, stimmen auch nicht. Wir haben ein Rentensystem, das per Umlagesystem solidarisch zwischen den Generationen finanziert wird. Diese wichtige Säule unserer demokratischen Gesellschaft torpediert die INSM mit ihrer Kampagne. Das ärgert mich wahnsinnig.
Was wollen Sie mit der Online-Petition erreichen?
Zunächst geht es mir darum, dass die INSM ihre unsägliche Kampagne stoppt. Deshalb sammeln wir nun erstmal online Unterschriften. Wenn wir der Meinung sind, dass wir genügend Unterstützer zusammen haben, werden wir im kommenden Jahr stärker in die Öffentlichkeit und auch direkt an die INSM herantreten um ihr klar zu machen: Das ist nicht in Ordnung, was ihr hier macht! Als zweites geht es mir darum aufzuklären, wer hinter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft steckt: Viele Menschen wissen nämlich nicht, dass das die Arbeitgeber, vor allem der Arbeitgeberverband der Metallindustrie, sind. Deshalb geht es mir drittens darum, dass die Arbeitgeber endlich wieder ihrer Verantwortung gerecht werden und dafür sorgen, dass Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, eine Rente bekommen, von der sie leben können.
Woran denken Sie dabei konkret?
Das sind zwei Dinge: Wir müssen zum einen den Niedriglohnsektor und prekäre Arbeit bekämpfen. Wer nur wenig Gehalt bekommt, kann davon nicht auch noch privat fürs Alter vorsorgen, wie es immer gefordert wird. Riester hat sich ja inzwischen als Flopp erwiesen: Wer wenig verdient, kann nichts oder nur sehr wenig regelmäßig einzahlen. Hinzu kommen die niedrigen Zinsen, die private Altersvorsorge unrentabel machen. Zum anderen müssen wir das Renteniveau halten bzw. wieder erhöhen. Wenn ich in 17 Jahren in Rente gehe, werde ich meine Bezüge zu hundert Prozent versteuern müssen. Hinzu kommen noch die Sozialabgaben. Bei einem Gehalt von zurzeit knapp 17 Euro Stundenlohn bleiben mir dann noch 700 bis 800 Euro Netto-Rente zum Leben – damit liege ich 100 bis 200 Euro unter dem aktuellen Niveau der Grundsicherung von 835 Euro. Nach 46 Jahren Arbeit ist das würdelos.
Bundesarbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles hat vor kurzem ihre Vorstellungen für eine Reform der Rente vorgestellt. Was halten Sie davon?
Ich sehe ihre Pläne als eine Absichtserklärung. Aber selbst die 46 Prozent Rentenniveau, die Andrea Nahles als sogenannte Haltelinie einführen will, reichen irgendwann nicht mehr für eine Rente zum Leben aus. Für viele Arbeitnehmer bedeutet das 800 bis 900 Euro im Alter. Andrea Nahles‘ Absicht, die Betriebsrenten zu stärken, ist schön – gleichzeitig muss man sich aber vor Augen führen, dass nur noch 46 Prozent aller deutschen Unternehmen tarifgebunden sind. Eine Betriebsrente basiert nun aber auf den Regelungen eines Tarifvertrags. Was passiert also mit Menschen, die in den 54 Prozent der Unternehmen arbeiten, die keinen Tarifvertrag haben? Und klar ist auch: Eine Stärkung der Betriebsrenten schwächt die gesetzliche Rentenversicherung, da die Mittel ja auch wieder privat angelegt werden, was immer mit Risiken verbunden ist.
Was sind Ihre Vorstellungen, um eine Rente zum Leben sicherzustellen?
Wir bauchen so etwas wie eine Agenda 2020 – aber im positiven Sinne! Um die Rente zu stärken, müssen wir dafür sorgen, dass junge Menschen wieder die Chance auf eine Erwerbsbiografie haben, wie sie das Rentensystem vorsieht, also ohne befristete Beschäftigung, ohne Minijobs, Leiharbeit und ähnliches. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss die Gewissheit haben, beruhigt in Rente gehen zu können und im Alter abgesichert zu sein.
Welche Erwartungen haben Sie an die jungen Menschen, damit die Rente wieder auf sichere Füße gestellt wird?
Die Jungen müssten stärker für ihre Interessen einstehen und klar sagen: So wie die Arbeitswelt zurzeit funktioniert, können wir uns keine Zukunft aufbauen und keine Kinder in die Welt setzen. Junge Mensch sollten dafür kämpfen, dass wir zu einer solidarischen, paritätischen und gerechten Gesellschaft zurückkehren. Wenn wir die Armut bekämpfen und den Menschen wieder eine Perspektive geben, schaffen wir es auch, den Rechtsruck zu stoppen. Wenn wir das nicht hinkriegen, gewinnt die AfD. Davon bin ich fest überzeugt.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.