Warum die Zivilgesellschaft SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz unterstützt
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„Ermutigung für die nächsten zehn Tage“ – so bilanziert SPD-Generalsekretär Hubertus Heil den Freitagvormittag im Willy-Brandt-Haus. In die Berliner Parteizentrale sind Vertreter verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen gekommen – von Betriebsräten über Unternehmer bis hin zu Aktivisten aus der LGBTIQ-Bewegung. Ihre Botschaft: Sie wollen, dass Martin Schulz der nächste Bundeskanzler wird.
Gewerkschaften: Gegen die neoliberale Ideologie
Die Gründe, warum die Aktivisten den SPD-Kanzlerkandidaten unterstützen, sind vielfältig. In einem sind sich jedoch alle einig: Am liebsten würden sie verhindern, dass die AfD in den Bundestag einzieht – stattdessen wünschen sie sich eine SPD-geführte Bundesregierung.
„Ich hoffe, dass wir damit der neoliberalen Finanzmarktideologie ein Stück Paroli bieten können“, erklärt der Gewerkschafter Wilhelm Segerath seine Motivation, SPD zu wählen. Er betont, dass sich Gewerkschaften und Sozialdemokraten schon immer gemeinsam für die Rechte der Arbeitnehmer stark gemacht hätten. Dies sei heute nicht anders. Von einer SPD-Regierung erwartet Segerath eine Bekämpfung der prekären Arbeit sowie eine Eindämmung der Leiharbeit und mehr betriebliche Mitbestimmung für Beschäftigte. Die AfD ist für Segerath hingegen „unwählbar“, wie er sagt. Denn die Gewerkschaften seien schon immer antifaschistisch gewesen – und daran werde sich auch nichts ändern.
Heil: Frauenbild der AfD „menschenunwürdig“
Dass mit der AfD Rechtsextremisten in den Bundestag einziehen könnten, das bereitet auch Hubertus Heil Sorgen. Die Rechten wollten die Geschichte zurückdrehen, sagt er. Zum Beispiel in Sachen Frauenrechte: „Das Frauenbild der AfD ist nicht nur rückwärtsgewandt, es ist menschenunwürdig“, kritisiert der SPD-Politiker.
Susanne Kahl-Passoth vom Deutschen Frauenrat sieht das genauso. „Die machen alles kaputt, wofür wir Frauen Jahrzehnte gekämpft haben“, sagt sie über die AfD. Für die Wahl der SPD gebe es hingegen gute Gründe. So fänden sich im Programm der Sozialdemokraten viele wichtige Punkte zur Gleichstellung von Mann und Frau, wie sie auch in der „Berliner Erklärung“ mehrere Frauenverbände gefordert würden, so Kahl-Passoth. „Deswegen habe ich schon gewählt: die SPD.“
„Der Martin, der sorgt dafür“
Doch nicht nur das Programm, auch der Spitzenkandidat Schulz sei überzeugend, betont Frank Baranowski, Vorsitzender der „Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik“ (SGK). „Er ist selbst einer von uns“, sagt er über Martin Schulz, der als ehemaliger Bürgermeister ein Gespür für die täglichen Probleme der Menschen habe. Die SPD werde sich in der kommenden Legislaturperiode für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Kommunen stark machen, verspricht Boronowski. Und schiebt hinterher: „Der Martin, der sorgt dafür.“
Eine etwas andere Sicht auf die Bundestagswahl beschreibt die Rechtsanwältin Nina Diercks. Auch sie werde SPD wählen, kündigt die Unternehmerin an. Die Gründe: Im Wahlprogramm stünden die richtigen Vorschläge, um den Fachkräftemangel zu beseitigen – vom sogenannten Chancenkonto bis zu der Forderung nach einem Einwanderungsgesetz. „Kuckt euch mal das Programm an“, ruft sie alle Unternehmer auf – die SPD habe wirtschaftspolitisch eine Menge zu bieten.
SPD: Damit es nicht „extrem dunkel“ wird in Deutschland
Auch der Unternehmensgründer Manou Shamsrizi will am 24. September SPD wählen. Die Tradition der Sozialdemokratie sei dem Grundgedanken der Start-Up-Szene ähnlich, sagt er. Unternehmen zu gründen müsse allen ermöglicht werden und nicht nur einem bestimmten – von weißen Heterosexuellen dominierten – Milieu. Dafür stehe die SPD seit jeher mit ihrem emanzipatorischen Wahlspruch „Aufstieg durch Bildung“.
Dagegen fremdelte der LGBTIQ-Aktivist Alfonso Pantisano lange mit der SPD, wie er sagt. Doch dass die Sozialdemokraten unter ihrem Vorsitzenden Martin Schulz die „Ehe für alle“ ermöglicht haben, rechnet er dem SPD-Chef und dessen Partei hoch an. Von der AfD sieht er sich als Homosexueller hingegen bedroht. „Ich weiß, dass die AfD uns im Visier hat“, sagt er – und ruft dazu auf, die Gesellschaft gegen die Rechtspopulisten zu verteidigen. „Denn ansonsten wird es hier bei uns in Deutschland extrem dunkel“, warnt Pantisano. „Und deswegen geh ich am 24. Wählen, früh morgens um acht – und gebe meine beiden Stimmen der SPD!“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.