Inland

Warum die US-Spionage beim Spiegel vor Gericht gehört

Momentan vergeht kaum eine Woche ohne neue Enthüllungen zur Spionagetätigkeit amerikanischer Geheimdienste in Deutschland. Jüngstes Opfer: „Der Spiegel“. Das Nachrichtenmagazin soll im Jahr 2011 ausspioniert worden sein, mit Wissen der Bundesregierung. Ein Fall für die Justiz!
von ohne Autor · 6. Juli 2015

Was für ein Glück für die Freunde von BND, Verfassungsschutz und NSA: Alles starrt gebannt auf das griechische Drama oder hat die Gehirnzellen wegen der Hitze lahmgelegt. Und so hält sich die Aufregung über den jetzt bekannt gewordenen skandalösen Spionagefall in erstaunlich engen Grenzen. Hoffen wir, dass sich das ändern wird, wenn die Temperaturen fallen und in Brüssel wieder über ermüdende Details zum Thema Grexit oder nicht verhandelt wird.

NSA-Wanzen beim Spiegel

Das ist der Skandal, der eigentlich die Anhänger der Pressefreiheit auf die Straßen treiben müsste – so, wie damals in den frühen 60er Jahren während der sogenannten „Spiegel“-Affäre:

Es liegt ein paar Jahre zurück, da bat der Berliner CIA-Resident den Chef jener Abteilung im Kanzleramt, die für Geheimdienste zuständig ist, um ein vertrauliches Gespräch. Beim Spaziergang durch das Regierungsviertel enthüllte er, dass ein hochrangiger Mitarbeiter jener Abteilung 6 enge Kontakte zum „Spiegel“ pflege. Wanzen der NSA hatten diese Erkenntnis gebracht. Das geschah im Jahre 2011 – unter einer schwarz-gelben Regierung.

Und was passierte daraufhin? Wurde recherchiert, auf welchem Wege die Amerikaner zu diesen Informationen gekommen waren? Wurde die Justiz eingeschaltet wegen Spionageverdachts? Wurde das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags eingeschaltet? Wurde der „Spiegel“ informiert? Oder das Bundesamt für Verfassungsschutz? Nichts von alledem. Das Einzige was geschah, war: Der angesehene Terrorismus-Experte mit den guten „Spiegel“-Kontakten wurde versetzt und darf seither helfen, die dunkle Geschichte des BND aufzuarbeiten.

Spionage aufgrund unliebsamer Berichterstattung?

Ans Licht kam die Abhörgeschichte durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses, der die Spionagetätigkeit der NSA in Deutschland aufklären soll und dazu auch die Informationen der Enthüllungsplattform WikiLeaks nutzt. Wie groß das Interesse der Amerikaner an der Arbeit des „Spiegel“ ist, hat dieser nun in eigener Sache in den USA und in Deutschland recherchiert. Immer wieder hat die US-Regierung sich über das Nachrichtenmagazin beschwert. Denn dessen Journalisten schrieben beispielsweise, wie der Bremer Murat Kurnaz von CIA-Leuten nach Guantanamo verschleppt wurde und der Hamburger Mohammed Zammar in ein syrisches Foltergefängnis.

Nicht die Bundesregierung sondern der „Spiegel“ hat nun beim Generalbundesanwalt Anzeige erstattet wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Tätigkeit. Dafür, dass die deutsche Regierung kuschte und vertuschte und damit das hohe Gut der Pressefreiheit mit Füßen trat, gibt es nur eine Erklärung:  Man fürchtete wohl, ohne Wohlverhalten von den Informationen der Amerikaner abgeschnitten zu werden, wenn es um terroristische Bedrohungen geht.

Journalismus: Ein traditionell interessantes Feld für Geheimdienste

Das Thema Journalismus und Geheimdienste ist so alt wie unappetitlich. Schon in Bonn hat man sich in der Bundespressekonferenz einen Spaß daraus gemacht, zu rätseln, welche Kollegen wohl allzu innige Kontakte zu den CIA-Leuten in der Botschaft pflegen. Wirklich ehrenrührig schien das vielen nicht zu sein. Auch die eigenen Geheimdienste sahen das mit der Pressefreiheit und dem Quellenschutz locker, etwa in den RAF-Zeiten, in denen Kontakte zwischen Journalisten und RAF-Anwälten beobachtet und fotografiert wurden. Es scheint für die Schlapphüte immer wieder ein exotischer Gedanke gewesen zu sein, dass sie die Verfassung zu schützen hatten – und damit eben auch die Pressefreiheit.

Doch der jetzt bekannt gewordene Fall hat eine völlig andere Qualität. Die eigene Regierung schützte die Presse nicht vor ausländischer Spionage, verschwieg den Betroffenen sogar, dass sie abgehört wurden. Es ist an der Zeit, dass nicht nur ein Untersuchungsausschuss, sondern die Gerichte sich dieser Vorgänge annehmen.

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