Warum die gesetzliche Rente die wichtigste Alterssicherung der Zukunft ist
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Rund 967 Euro nach Abzügen bleiben Vera Zarwel, wenn sie in Rente geht. Eine betriebliche Rente bringt zusätzlich 35 Euro ein, die Auszahlung der Riester-Rente liegt bei circa 100 Euro. „Ich konnte nicht immer den vollen Betrag von vier Prozent des Bruttolohns einzahlen“, sagt Zarwel.
Renten unter 1000 Euro sind keine Seltenheit
Das wundert nicht: Um heute eine Rente von 1370 Euro anzusparen, muss ein sogenannter „Eck- oder Beispielrentner“ 45 Jahre lang ein monatliches Durchschnittseinkommen (2016 waren das 3020 Euro) verdienen. Im Jahr 2000, bei einem Rentenniveau von 53 Prozent, hätte das noch 1530 Euro eingebracht, beim prognostizierten Rentenniveau von 43 Prozent 2030 wird der Auszahlbetrag auf 1240 Euro sinken.
Verlierer sind Frauen und Teilzeitkräfte
Nicht alle schaffen 45 Jahre. Wer früher geht, muss mit Abschlägen bis zu 15 Prozent rechnen. Wer Teilzeit arbeitet oder keine kontinuierliche Erwerbsbiografie aufbauen kann, verliert ebenfalls. Frauen sind besonders betroffen. Auch von niedrigen Einkommen. Viele verdienen selbst in Vollzeit deutlich unter Durchschnitt.
Das Vertrauen in die Alterssicherung nimmt ab. Kein Wunder: Ein sinkendes Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung trifft auf abnehmende Renditen bei der privaten Vorsorge. Die, auch wenn es keine Niedrigzinspolitik gäbe, die wachsende Rentenlücke nicht ausgleichen könnte, denn nicht alle können diese zusätzliche Vorsorge zahlen.
Vorbildliches Rentensystem in Österreich
Um die Talfahrt der Renten zu stoppen, fordern Gewerkschaften einen Strategiewechsel: Weg vom Ziel, die Beiträge niedrig zu halten, hin zu einer „Rente mit Niveau“, fasst es Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall zusammen. Habe man mit der Rentenreform 2002 gehofft, die Versorgungslücke mit privater Vorsorge wie Riester zu schließen, weiß man heute, dass sich diese Hoffnungnicht erfüllt habe, sagt er. Der Zwang zur Privatvorsorge habe allerdings zu einer gesellschaftlichen Umverteilung von Vermögen geführt.
Das österreichische Rentensystem ist in eine deutlich andere Richtung reformiert worden. „Anstatt auf kapitalgedeckte, private Vorsorge zu setzen, liegt der Fokus bei der Lebensstandardsicherung durch die Rentenversicherung“, erklärt Erik Türk von der Arbeiterkammer Wien. Mit Erfolg. Rentner erhalten 80 Prozent vom Durchschnittsverdienst zum Regelalter 65 nach 45 Beitragsjahren.
Arbeitgeber zahlen mehr als Arbeitnehmer ein
Dafür zahlen sie einen Beitragssatz von 22,8 Prozent (in Deutschland derzeit 18,7 Prozent). 12,55 Prozent tragen die Arbeitgeber, Arbeitnehmer zahlen 10,25 Prozent. Für die ebenfalls in der Pensionskasse mitversicherten Selbstständigen und Bauern wird ein Bundeszuschuss aus Steuermitteln gezahlt.
Dass eine gute Rente nicht kostenlos zu haben ist, weiß auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Ende November hat sie ein Konzept zur Stabilisierung der Renten vorgelegt. Mit einer Haltelinie von 46 Prozent bis ins Jahr 2045 will sie „Sicherheit schaffen für alle, die einzahlen. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch für junge Beitragszahler“.
Demografiezuschuss aus Steuermitteln
Die Kosten will sie generationengerecht verteilen, die Beiträge zur Rentenversicherung sollen 22 Prozent im Jahr 2030 und 25 Prozent in 2045 nicht überschreiten. Ein Demografiezuschuss aus Steuermitteln soll die besondere Anstrengung zur Finanzierung der geburtenstarken Jahrgänge leisten. Selbstständige, die nicht in berufsständischen Versorgungswerken abgesichert sind, sollen einbezogen werden, eine „gesetzliche Solidarrente“ all jene bekommen, die 35 Jahre Beiträge geleistet haben.
Während Sozialverbände und Gewerkschaften ein Rentenniveau von mindestens 50 Prozent fordern, lehnen CDU/CSU die Vorschläge zur Stabilisierung der Rentenversicherung als zu teuer ab. Gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden wird reflexartig der Ruf nach einer erneuten Verlängerung der Lebensarbeitszeit laut. Doch eine Pauschallösung sei nicht für alle geeignet, entgegnet Nahles. Die Krankenschwester werde auch in 20 Jahren nicht bis 70 arbeiten können.
Nötig sei ein fairer Verteilungskompromiss zwischen Arm und Reich und Alt und Jung, sagt Andrea Nahles. Momentan scheinen wir davon noch um einiges entfernt.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.