Warum Deutschland eine Vermögenssteuer braucht
„Wenn es um die Vermögenssteuer geht, wird – zumindest im politischen Raum – oft aus dem Bauch heraus entschieden, ob jemand dafür oder dagegen ist“, stellt Thorsten Schäfer-Gümbel fest. Zudem beklagt der Fraktions- und Landesvorsitzende der hessischen SPD, dass es „kaum Ideen gibt, wie eine Vermögenssteuer nach dem Verfassungsgerichtsurteil aussehen könnte“.
In Deutschland gibt es seit 1997 keine Vermögenssteuer mehr
In Deutschland wurde bis 1996 eine Vermögenssteuer erhoben, die in die Haushalte der Länder floss. Zuletzt waren es neun Milliarden Mark. Das Bundesverfassungsgericht kippte die Steuer jedoch: Weil Immobilien nicht berücksichtigt wurden, handle es sich um eine ungerechte Besteuerung. Die Richter empfahlen, Immobilien bei Erhebung der Vermögensteuer stärker heranzuziehen. Stattdessen wurde die Vermögensteuer unter der Regierung von Helmut Kohl (CDU) ganz abgeschafft.
Seitdem wird ihre Wiedereinführung immer wieder öffentlich diskutiert, zuletzt hatte sich die SPD im Bundestagswahlkampf 2013 dafür eingesetzt. Es gibt jedoch auch laute kritische Stimmen die fürchten, auch eine Neuauflage würde von Karlsruher Richtern gekippt.
Die meisten Steuern werden indirekt gezahlt
Um zu klären „ob die Vermögenssteuer ein sinnvolles und geeignetes Instrument für mehr Gerechtigkeit sein kann“ und wie eine verfassungskonforme Ausgestaltung aussehen könnte, lud die SPD-Landtagsfraktion in Hessen Fachleute aus Politik, Forschung und Verbänden zu einer öffentlichen Anhörung ein.
Verfassungsrechtler Joachim Wieland von der Universität Speyer sprach sich klar für eine Vermögenssteuer aus. Das Grundgesetz „erwartet, dass Vermögen besteuert wird“. Zudem betonte Wieland, dass die Karlsruher Richter 2005 nicht eine Vermögenssteuer per se kritisiert hatten, sondern nur die damalige Ausgestaltung.
Das Vermögen konzentriert sich bei einem Zehntel der Bevölkerung
Heute attestiert Wieland eine „Schieflage im Steuersystem“. Er kritisierte scharf, dass sich das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern umgekehrt habe. Als direkte Steuern werden etwa Einkommens- und Körperschaftssteuer oder auch eine Vermögenssteuer bezeichnet, weil sie die individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers berücksichtigen. Indirekte Steuern sind etwa die Umsatzsteuer, aber auch die EEG-Umlage, die alle Bürger zahlen, unabhängig ob sie über Vermögen verfügen oder vom Staat alimentiert werden. Heute kämen 60 Prozent aller Steuereinnahmen aus indirekten Steuern und 40 Prozent aus direkten Abgaben. Gerechter sei ein umgekehrtes Verhältnis.
Unterstützt wurde die Forderung von Hagen Krämer, Ökonom und Volkswirt an der Hochschule Karlsruhe. Krämer hat Erhebungen zur Vermögensverteilung ausgewertet, von der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen bis zu Umfragen der Europäischen Zentralbank (EZB). Was herauskommt, ist kein Geheimnis: Vermögen in Deutschland ist auf ein Zehntel der Bevölkerung konzentriert.
Zwei Millionen Euro Freibetrag
Und genau dort könnte eine neu ausgestaltete Vermögenssteuer ansetzen: Diskutiert wurde in Hessen ein Freibetrag von zwei Millionen Euro, der allerdings mit steigendem Vermögen sinkt auf minimal 500.000 Euro. Der einheitliche Steuersatz läge dann bei einem Prozent. Betroffen wären 150.000 bis 400.000 Haushalte in Deutschland. „Einer von Hundert wäre betroffen“, betonte Thorsten Schäfer-Gümbel in Wiesbaden. Zehn Milliarden Euro jährlich könnte eine solche Steuer den Bundesländern bringen.
Unklar sind die Kosten, die die Erhebung der Steuer mit sich bringen würden. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) prognostiziert Kosten von fünf bis acht Prozent der Einnahmen. Michael Volz vom Landesverband Hessen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft mahnte allerdings: „Ohne zusätzliche Stellen in den Steuerbehörden“ sei eine Wiedereinführung nicht möglich. Ansonsten würden die ohnehin schon aus- bis überbelasteten Kollegen bei der Bearbeitung anderer Steuerarten hinterherhinken und so Finanzlücken entstehen.
Gute Gründe für eine Vermögenssteuer
Grundsätzlich skeptisch bis ablehnend gegenüber einer Vermögensteuer äußerten sich – nicht ganz unerwartet – Wirtschaftsvertreter. Sebastian von Waldow sprach für die Familienunternehmer. Er befürchtet einen starken Rückgang von Investitionen – und damit eine Gefahr für Familienunternehmen und Arbeitsplätze. Clemens Christmann von der Vereinigung der Hessischen Unternehmerverbände hält eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer für „nicht erforderlich“. Die Steuereinnahmen seien derzeit hoch genug, um etwa durch mehr Investitionen in Bildung langfristig mehr Gerechtigkeit herzustellen.
Norbert Walter-Borjans, Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, versicherte, der wirtschaftlichen Entwicklung solle keinesfalls ein Riegel vorgeschoben werden. „Ich war den größten Teil meines Lebens Wirtschaftsförderer“, so Walter-Borjans. Allerdings müsse geprüft werden, wie auch Unternehmer ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten könnten.
Thorsten Schäfer-Gümbel zeigte sich von der Anhörung ermutigt: „Die guten Gründe für eine Vermögenssteuer sind ausdrücklich stärker geworden“, so der SPD-Vize. Er zeigte sich zuversichtlich, dass eine Vermögenssteuer verfassungskonform gestaltet werden könnte, und so, dass Aufwand und Ertrag in vernünftigem Verhältnis zueinander stehen. Der Punkt, wie sich Gefahren für mittelständische Unternehmen verhindern ließen, müsse weiter geprüft werden.