Inland

Warum Deutschland bei der Korruptionsbekämpfung nicht voran kommt

Trotz aufgedeckter Masken- und Aserbaidschan-Affäre von CDU und CSU: Deutschland macht keine Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption, so Transparency International. Die Antikorruptionsorganisation hofft nun auf SPD, Grüne und FDP.
von Lars Haferkamp · 24. Januar 2022
Korruption in Deutschland geht nicht zurück: In der Masken-Affäre wird seit 2020 mehrerern Bundestags- und Landtagsabgeordneten von CDU und CSU Vorteilsnahme vorgeworfen. Es kam zu Rücktritten und Parteiaustritten.
Korruption in Deutschland geht nicht zurück: In der Masken-Affäre wird seit 2020 mehrerern Bundestags- und Landtagsabgeordneten von CDU und CSU Vorteilsnahme vorgeworfen. Es kam zu Rücktritten und Parteiaustritten.

Transparency International hat für die Bundesrepublik eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Deutschland gehört zu den Top Ten der Staaten, die weltweit am wenigsten von Korruption belastet sind. Die schlechte aber lautet: Seit Jahren hat sich die Position des Landes im weltweiten Vergleich nicht verbessert, die Bundesrepublik macht keine erkennbaren Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung.

Das zeigt der neue Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) der Antikorruptionsorganisation Transparency International, der jetzt in Berlin vorgestellt wurde. Der Index erscheint einmal pro Jahr und ist der weltweit bekannteste Indikator für Korruption. 180 Staaten werden hier aufgeführt. Je nach dem Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption werden die Staaten auf einer Skala positioniert. Sie reicht von 0 Punkten, dem Höchstmaß an Korruption, bis zu 100 Punkten, wenn keine Korruption erkennbar ist.

Deutschland deutlich hinter Dänemark und Finnland

Deutschland erhält 80 von 100 Punkten und kommt damit auf Platz zehn der am wenigsten von Korruption belasteten Staaten. Den Spitzenplatz nehmen Dänemark, Neuseeland und Finnland mit 88 Punkten ein. Auf dem letzten Platz liegt der Südsudan mit nur 11 Punkten, dann kommen Somalia und Syrien mit 13 Punkten.

Hoffnungen setzt die Antikorruptionsorganisation auf die neue Bundesregierung der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Hartmut Bäumer, der Vorsitzende von Transparency Deutschland, formuliert das so: „Wir hoffen, dass wir mit der neuen Regierung dahinkommen, dass vielleicht im nächsten Jahr das Ranking von Deutschland noch etwas besser wird.“

Trotz des vergleichsweise guten zehnten Platzes der Bundesrepublik sieht Bäumer nämlich keinen Grund für Selbstzufriedenheit. „Seit sechs Jahren hat sich die Punktzahl Deutschlands nicht mehr verbessert. Das zeigt, dass wir bei der Korruptionsbekämpfung leider kaum vorankommen.“ Nach der so genannten Masken-Affäre – in der mehreren Bundestags- und Landtagsabgeordneten von CDU und CSU Vorteilsnahme vorgeworfen wird und die zu Rücktritten und Parteiaustritten führte – , „war der Druck letztes Jahr zwar endlich hoch genug, um das Lobbyregister einzuführen und die Regeln zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten zu verschärfen.“

Masken- und Aserbaidschan-Affäre von CDU und CSU

Das reicht Transparency Deutschland aber nicht, um die Korruption im Land effektiv zu bekämpfen. „Weiterhin bestehen massive Defizite in allen gesellschaftlichen Bereichen“, moniert Bäumer. „In der Verwaltung gilt noch immer größtenteils der Grundsatz des Amtsgeheimnisses, die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen ist noch immer nicht geregelt und Hinweisgeber sind noch immer nicht ausreichend geschützt.“ So verhindere etwa die willkürliche Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Unternehmen häufig die Aufklärung von Korruptions-Verdachtsfällen.

Neben der Masken-Affäre kritisiert Bäumer auch die so genannte Aserbaidschan-Affäre. Damit sind die Verwicklungen mehrerer Politiker*innen – wieder von CDU und CSU – in Geschäfte mit Aserbaidschan gemeint, denen in diesem Zusammenhang versteckter Lobbyismus und Korruption vorgeworfen wird. Beide Affären, so Bäumer, hätten ein „bedenkliches Schlupfloch“ offenbart. „Trotz der enormen Empörung nach Bekanntwerden der Fälle persönlicher Bereicherung konnten die betroffenen Abgeordneten am Ende strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.“ Das belegt für Transparency Deutschland, dass das Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung „bislang praktisch wirkungslos“ sei und deshalb „dringend nachgeschärft werden“ müsse.

Lob für Pläne der Ampel-Regierung

Ausdrücklich „begrüßt“ die Antikorruptionsorganisation dagegen, dass die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP laut Koalitionsvertrag (Seite 10) den bestehenden Straftatbestand der Mandatsträgerbestechung und -bestechlichkeit (Paragraf 108e StGB) „wirksamer ausgestalten“ wollen. Darauf dränge seit Transparency Deutschland bereits Jahren – so lange die Union im Bunde regierte allerdings vergeblich. „Es kann nicht sein, dass die Regeln für Beamte bisher schärfer sind als für Abgeordnete“, argumentiert Bäumer. „Der Straftatbestand muss künftig in der Praxis ein scharfes Schwert sein, damit es bei vergleichbaren Fällen tatsächlich zu Verurteilungen kommt.“ Die derzeitige Situation schüre leider Politikverdrossenheit. „Bundesjustizminister Buschmann muss deshalb zügig liefern“, so der Vorsitzende von Transparency Deutschland.

International betrachtet hat die Antikorruptionsorganisation keine guten Nachrichten. Es setze sich der Negativtrend fort, dass Staaten, die Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte beschneiden, parallel dazu eine steigende Korruption hätten. So gehören das EU-Mitglied Ungarn (-12 Punkte) und der EU-Beitrittskandidat Türkei (-11 Punkte) zu den Staaten, die in den letzten zehn Jahren weltweit am meisten Punkte im Korruptionswahrnehmungsindex verloren haben. Transparency warnt deshalb nachdrücklich: „Diese Entwicklungen sind besorgniserregend und verdeutlichen, wie eng die Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Grundsätze mit der Vermeidung von Machtmissbrauch und Korruption verknüpft sind.“

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